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Bürgern jeder Klasse wogten durch die Straßen der unermeßlichen
Hauptstadt und stießen durch Geschrei eine beispiellose Unzufriedenheit
aus. Am folgenden Morgen waren die Zusammenrottungen noch
zahlreicher und erbitterter, die Truppen von der Garde und der
Gensd'armerie gaben schon an mehren Platzen Feuer auf sie, nur
die von der Linie nahmen keinen Theil am Kampfe. Mit dem
Schrei: „Es lebe die Linie! nieder mit der Garde!" wurden an
mehren Straßenausgangen mit ausgespannten Wagen und abge-
haucnen Baumen Barrikaden oder Sperrungen gebildet; auch das
Straßenpflaster ward aufgerissen, und die Steine entweder zu
Barrikaden gebraucht oder in die nachstgelegenen Hauser getragen,
um sie aus den Fenstern auf die Karlisten — so nannte man
die Anhänger des Königes — herabzuschleudern. Drei Tage hin¬
ter einander war ein wüthender mörderischer Kampf in den Stra¬
ßen von Paris. Der Donner des Geschützes erschallte wie in
einer mit Sturm eroberten Stadt, das Blut floß in Strömen.
Besonders zeichneten sich die polytechnischen Schüler aus, die
durch den Muth und die Geschicklichkeit, mit welchen sie die
Angriffe der Volksmassen leiteten, und durch ihre edele Sorgfalt
für die Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung,
sich die allgemeine Achtung erwarben. Man sah sie zu Pferde
steigen und sich an die Spitze der Nationalgarde stellen, die sich
glücklich schätzte, so jungen aber würdigen Anführern Folge zu
leisten. Am 29. hatten endlich die Bürger ihren Sieg vollendet;
die Garde und Gensd'armerie flohen nach St. Cloud, wo sich
der König Karl wahrend der drei Schreckenstage aufgehalten hatte.
Die Linientruppen traten auf die Seite der Bürger; der General
G^'rard übernahm den Oberbefehl über sie, und der alte Lafayette
trat wieder, wie im Jahre 1789, an die Spitze der National¬
garde. Sogleich schritten die Deputirten zur Wahl eines neuen
Königes. Die ganze altere Linie der Bourbons wurde des Thro¬
nes verlustig erklärt, und der Herzog von Orleans unter dem
Namen Ludwig Philipp zum König der Franzosen ernannt.
Die Minister büßten ihr Beginnen mit lebenswierigec Gefan¬
genschaft.