74 
Zwölftes Kap. Methode der Weltgeschichte. 
Auch wird, was nur einen Theil des Volkes oder ein Individuum betrifft,, 
auf die natürlichste Weise in den Faden der betreffenden Volksgcschichte vcr- 
rvcbt. Die meisten Völker sind jedoch zu unwichtig, um in der Welthistorie 
eine abgesonderte Nolle zu spielen. Solche werden — etwa nach ihrer geo¬ 
graphischen Lage — in Klassen zusammengeworfen, und selbst die Geschichten 
der wichtigeren Völker — wo nicht höhere Rücksichten etwas Anderes heischen 
— nach geographischer Ordnung aneinandergereihet. Aber manche 
Begebenheiten sind, woran viele Völker zugleich Theil nehmen, Umwälzungen, 
bei denen der Fluß der einzelnen Volksgeschichtcn sich in den allgemeinen 
Strom der Zeit verliert. Bei dergleichen Ereignissen oder Epochen muß die 
synchronistische Erzählung den Mangel der ethnographischen ergänzen, und 
es sind ganze Perioden, besonders in neueren Zeiten, wo wegen des vielseiti¬ 
gen Zusammenhanges der Völker die synchronistische Methode die vorherr¬ 
schende seyn muß. 
§. 123. Fortsczung. 
Diese bald gesondert erzählten, bald synchronistisch zusammengefaßten. 
Völkergeschichten, da sie sich größtentheils auf das Gebiet der Politik be¬ 
schränken, erschöpfen den Stoff der Wclthistorie noch nicht. Dieselbe hat gar 
Manches zu erzählen, wobei nicht sowohl einzelne oder mehrere Völker, 
sondern vielmehr die gesammte Menschheit oder eine große Klasse der 
Menschen oder im Allgemeinen der menschliche V erstand und das menschliche 
Gemüth wirksam oder leidend erscheinen. Hieher gehören zuerst die höheren 
Resultate der politischen Begebenheiten, weil ihr Einfluß immer 
weiter, als Ort und Zeit der Handlung und die handelnden Personen, sich 
erstreckt, und die Machtvcrhältnisse der Nationen, abgesondert von dem, was 
sie für die einzelnen Völker sind, ihr höheres welthistorisches Interesse erst 
durch ihre Zusammcnnehmung gewinnen, als Bestimmungsgründe des allge¬ 
meinen Zustandes der Menschheit, und Vorschritt oder Rückschritt derselben 
auf mannigfaltige Weise bewirkend. Weiter alle jene Sphären, worin der 
Menschen Geist und Wille regsam, schaffend, bildend und der Bildung em¬ 
pfänglich sich zeigt. Ihre Ideen und Empfindungen, bald blos im Gemüthe 
haftend, häufiger jedoch ins äußere Leben übergehend, alle Zweige des Zu¬ 
standes bestimmend und von denselben hinwieder bestimmt. Also Kunst und 
Wissenschaft, Religion und S ta atsverfassung, Sittlichkeit 
und Lebensweise. Zwar sind alle diese Gegenstände auch den einzelnen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.