2)4
Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand.
Trümmern noch Ehrfurcht geboten. Gleichwohl hat sie ihre Schattenseite,
und der unbefangenen Prüfung wird sie eher monströs, als vortrefflich
erscheinen.
Fürs erste hat Lykurgus Seele zur Anerkenntniß der Menschenwürde und
des Menschenrechtes sich nicht erhoben. Würde er sonst die Freiheit von
10,000 und den erträglichen Zustand von 30,000 Bürgern auf das Elend
und die empörendste Unterdrückung mehrerer Hunderttausende gebaut haben?
Die Schmach und harte Sklaverei der Heloten war unabtrennlich von einer
Verfassung, welche diese Menschcngattung zum Eigenthume des Staates
erklärte, aus ihre Arbeit die Erhaltung der herrschenden Oîaçc gründete,
ihre Habe dem Muthwillen und ihr Leben gleich jenem von Jagdthieren der
Grausamkeit einer kampflustigen Jugend Preis gab. Auch bei anderen Völ¬
kern treffen wir leider Sklaven und frevelhaft sogenanntes Sklavcnrccht an:
aber nirgends, wie hier, war solches Attentat in die Konstitution selbst so
innig verwebt, nirgends zu einer so schauderhaften Uebertreibung gebracht.
Vielleicht wird man diesen häßlichen Flecken nicht auf Lykurgus Rechnung,
sondern auf jene des allgemeinen traurigen Vornrtheils seiner Zeit und seines
Volkes legen; und freilich ist cs schwer, doch dem wahrhaft großen Manne
angemessen, über solches sich zu erheben. Aber wir fragen weiter: Was hat
Lykurgus fur das auserlesene, freie, spartanische Volk gethan? — Hat er
den wahrer: Zweck des bürgerlichen Vereins gefaßt, hat er ihn erreicht, hat
er dafür nicht einen zu theuren Preis gefordert? — Jenes ist die beste Ver¬
fassung, welche die Entwicklung der menschlichen Anlagen und Kräfte am
meisten befördert, und unter deren Schuz ein wahrhaft humanes Glück am
sichersten gedeihen mag. Eine Verfassung, die zu ihrer Erhaltung alle Kräfte
und Empsindungcn der Bürger ausschließend erfordert, die in der Eigen¬
schaft des Bürgers die Persönlichkeit der Glieder völlig verschlingt, die
nicht nur die Unterordnung, sondern die Aufopferung der schönsten natürlichen
Gefühle, der edelsten, humansten Triebe gebietet, ist — wie groß auch der
Name ihres Stifters sey — eine unglückliche Verkehrtheit. Warum wurden
dem Spartaner alle die Opfer, Kämpfe und Anstrengungen auferlegt? —
„Damit er die Freiheit und Gleichheit behaupte." Große unschäzbare Güter
allerdings: aber für den Spartaner von keinem Werthe, weil er zugleich allem
Dem entsagen mußte, um dessentwillen die Freiheit gewünscht wird. Er konnte
nicht Gatte, nicht Vater, nicht Sohn seyn. Der Staat war sein Vater, die