28 
Erstes Kap. Geschichte des römischen Reiches. 
fetten der Anlaß fehlen, und Augustus selbst, wiewohl er dreimal den Tcm- 
pel des Janus schloß, zählte mehr Kriegs-, als Fricdensjahre. 
Auch erfuhr er mehr als einmal den Wechsel des Glückes. Zwar die 
Parther, geschreckt durch seine Rüstungen, gaben die gegen Crassus er¬ 
oberten Adler zurück, und selbst ein indischer (oder südarabischer) König ehrte 
Augustus durch eine Gesandtschaft. Auch wurden durch Besiegung der Cautabrer 
und Asturier (welche allein noch in Spanien widerstanden), durch Eroberung 
von Rhätien, Lindelicien und Noricum — welche Drusus und Tiberius 
vollbrachten —, durch Unterwerfung MösieuS und Pannoniens — was einen 
blutigen Kampf erheischte —, weiter durch Siege in Klein-Asien und Afrika 
die Grenzen geründet; aber ein Heer ging in der arabischen Wüste ver¬ 
loren, ein anderes focht ohne Erfolg gegen Aethiopien, und ein drittes, 
unter Varus, wurde von den Teutschen vernichtet. 
Viel größer noch war Augnstus häusliches lluglück. — Er hatte kei¬ 
nen Sohn; seine Tochter Julia, welche nach einander an Marcellus, 
Agrippa und Tiber vermählt wurde, schändete sich durch Ausschweifun¬ 
gen, und ihre Söhne — von Aprippa — starben *). Livia, seine zweite 
Gemahlin, war ein ränkcvolles Weib, und von den Stiefsöhnen, welche sie 
ihm zubrachte, betrübte Drusus ihn durch seinen Tod und Tiberius durch 
sein Leben. Diesen legten — wiewohl er dessen böse Gemüthsart durchschaute 
— mußte er zum Sohn und Erben annehmen, damit die Herrschaft nicht an 
völlig Fremde käme. Und so starb der glücklich gepriesene Augustus, nach¬ 
dem er seine Freunde alle überlebt hatte,' im 76stcn Jahre des Alters und 
im 44sten seiner ungethciltcn Gewalt (I. Chr. 14). 
§. 6. Tiber**). 
„So wie ein Fluß oft nur langsam und geräuschlos den Damm unter¬ 
wühlet, dann aber plözlich ihn einreißt, und unwiderstehlich über Felder und 
Wiesen stürzt: also die Despotie in Rom, jenes unter August, dieses unter 
Tiber." (Montesquieu.) Nachdem der tückische, argwöhnische, in Rän¬ 
ken beinahe ergraute Tiber zuerst durch eine — wohl unuöthige, aber in sei¬ 
nem Charakter liegende — Verstellung den Senat geäfft, hiernächst den Auf- 
*) Nämlich C. und L. Cäsar; rer dritte, Ngrtppn Postlrumnß, ein elender 
Mensch, wurde erst von Tiber getödtet. 
**) Er. Horn, Tiberius, ein historisches Gcurnlde Leipz. Hinrichs, 1811.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.