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Von Augustus bis Commodus. 
rühr der pannonischen nnd teutschen Legionen (der lczteren durch des Ger¬ 
maniens, seines Neffen, Treue) gedämpft hatte, tilgte er den lezten Schein 
der Volksmacht durch die Verlegung der Komiticn in den Senat, und 
umgab sich mit den Schrecken des Majestätsgesezes. Hinfort wurden 
nicht nur die kleinsten Handlungen, sondern auch Worte und Schrift — 
wenn sic nicht unbedingt Sklavensinn athmeten —, Gedanken sogar, die man 
in den vertrautesten Ergießungen belauschte, zu Verbrechen gestempelt, die 
Heiligkeit gerichtlicher Formen zum Dienste der blutigsten, schamlosesten Ty¬ 
rannei mißbraucht, alle Bande der Natur, der Liebe, des Vertrauens fre¬ 
velnd zerrissen und die Verworfenheit des Zeitalters zu leichter Vermehrung 
gleich abscheulicher Angeber, Richter und Henker benüzt. Nur die Scheu vor¬ 
dem edlen Germaniens, welchen das Volk liebte und das Heer vergötterte, 
hielt noch eine Zeit den vollen Ausbruch der Wuth zurück. Der Held starb 
(wahrscheinlich vergiftet; doch dieses Verbrechen, wie so viele andere, deckt 
ein nächtlicher Schleier). Mit ihm sah das Volk verzweifelnd seine lezte 
Hoffnung sinken und suhlte zum erstenmal, was cs heiße, Nichts in sich 
selbst, und Alles — Segen oder Verderben — in einem Sterblichen zu 
haben. Tiberius, welchem vom Menschen nur die Gestalt geblieben schien, 
theilte seine Zeit unter Handlungen der ausgesuchtesten Grausamkeit *) und der 
unnatürlichsten Wollust. Aelius Sejanus, Präsektus Prätorio, der wür¬ 
dige Günstling eines solchen Herrn, unterhielt und verschärfte noch die Blut- 
scenen in Rom, während Tiber auf Caprea in thierische Schwelgerei versank. 
Aber Sejanus, nach dem Throne lüstern, suchte sich den Weg dazu durch 
Tödtung der Verwandten des Kaisers zu bahnen und vergiftete selbst dessen 
Sohn. Allein der Verrath wurde entdeckt und an Sejanus, seinem Hause 
und seinen Freunden blutig gerächt. Noch ein Jahrzchent wüthete und 
schwelgte Tiberius fort ohne Sättigung für seinen Blutdurst, ohne Auf¬ 
heiterung für die düstere Stimmung seiner Seele. Er starb im 78stcn Jahre 
seines Alters (37) — man sagt gewaltsam — nachdem er 23 Jahre den 
Thron geschändet, und hinterließ den Ruhm eines vollendeten Tyrannen. 
*) Mori volentibus vis adhibita vivendi. Nam mortem adeo leve supplicium puta¬ 
bat, ut, cum audisset, unum ex reis, Cornelium nomine, anticipasse illam exclama¬ 
verit: Cornelius me evasit! et in recognoscendis custodiis precanti cuidam poenae 
maturitatem responderit: nondum tecum in gratiam redii. Suetou.
	        
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