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Einleitung.
deren jeder so reichen, so eigenthümlichen Stoff zu einer Geschichte bietet!
Die romanhafte Vendec, so oft mit Feuer und Schwert und Wellen vertilgt
und immer wieder aus ihrem Grabe entstehend! Die Revolutionen von
Holland, Helvcticn, Mailand, Genua, Venedig, Rom, Neapel;
die ägyptische Expedition, den Kolonial- und Seekrieg! Wer
könnte alle die einzelnen Rubriken herzählen, die alle Stoff zu einer eigenen
Geschichte gäben? — Und was ist nun erst das ungeheure Ganze?"...
Was ist cs erst jczt, sezcn wir hinzu, da seitdem weitere zwanzig Jahre Um¬
wälzungen auf Umwälzungen gehäuft und neue Kriege abermaliger Koalitionen
den schrecklichsten Kampf über alle Länder geführt haben, das republikanische
Frankreich zum Kaiserreich, und sein Gewaltsherrscher zum Diktator des Fest¬
landes geworden, endlich aber das kolossale Gebäude unter dem Beben des
^rdtheilcs eingestürzt und nochmals eine ganz neue Ordnung der Dinge in
beiden Welten entstanden ist? — „Wann wird der Mann kommen," fährt
Posselt fort, „der diesen laugen schrecklichen Kampf der Meinungen und der
Waffen, dies unendliche Gewühl zum Theile nie zuvor erlebter Begebenheiten,
dies den Blick verwirrende Gemisch von Heroismus und Barbarei, von wilder
Freiheitsglut und feigem Versinken einer ganzen großen Nation bald unter
dem, bald unter jenem Treiber, diese aus ihren Angeln gerissene und wieder
ganz neu zusammcngeseztc Welt, die so stolz angekündigten, durch den fürch¬
terlichsten Krieg debattirten und, dem Ausschlage des Krieges zum Troze,
vernichteten — oder verzögerten — Bestimmungen des Menschengeschlechtes
in einem beseelten Gemälde darstellen wird?" —
In unserer Zeit wird er noch nicht kommen. Die großen Umwäl¬
zungen in der Geschichte, so wie die großen Gegenstände in der Natur können
nur von einem entfernteren Standpunkte überschaut werden. Von der Nähe
gesehen stellen sich wohl Einzelnheitcn, nicht aber ihr gegenseitiges Verhältniß,
nicht die wahre Gestalt des Ganzen dar. Ueber die französische Revolution
sind bis jezt meist nur Stimmen der Parteiung, der Befangenheit durch In¬
teresse oder durch Leidenschaft erklungen, noch übertönen sie der Wahrheit
leisen Ruf. Unermeßlich ist bie Aufgabe der Kritik. Viele Zeugen müssen
noch abgehört, unzählige Dunkelheiten aufgehellt, Charaktere und Thaten
strenger geprüft, zu richtigen Theilgcmälden zusammengetragen und dann
erst die Schilderungen des Ganzen versucht werden. Hiezu ist aber die Ar-