Contents: Die deutsche Dichtung des 19. Jahrhunderts in ihren Hauptvertretern

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Daß, wie's auch drohn und donnerwettern 
mochte. 
Ja, selbst wenn Blitz und Schlag zusammen¬ 
fielen, 
Daß Fritz nie maulte, greinte, wütend wurde; 
Nein, unverändert blieb sein stilles Lächeln 
And schien zu sagen: „Arme Kreaturen, 
Ihr glaubt mich dumm, ich bin der Überlegne. 
Kramladenlehrling! Eure Welt ist Kram, 
And wenn ihr Waschblau fordert oder Stärke, 
Blaut zu, soviel ihr wollt. Mein Blau der 
Äimmel." 
So ging die Zeit, und Fritz war wohl schon 
siebzehn; 
Ein Oxhoft Apfelwein war angekommen 
And lag im Los. Von da sollt's in den Keller. 
Fritz schlang ein Tau herum, und weil die 
Litze 
Groß war und drückend, was er wenig liebte, 
So warf er seinen Shirting-Rock beiseite, 
Nicht recht geschickt, so daß der Kragenhängsel 
Nach unten hing. And aus der Vorderlasche 
Glitt was heraus und fiel zur Erde — lautlos. 
Fritz merkt' es nicht. Die Witwe Marzahn aber 
Schlich sich heran und nahm ein Buch (das 
war es) 
Vom Boden auf und sah hinein: „Gedichte. 
Gedichte, 1. Teil, von Wolfgang Goethe". 
Zerlesen war's und schlecht und abgestoßen 
And Zeichen eingelegt: ein Endchen Strippe, 
Briefmarkenränder, und als dritt' und letztes 
(Zu glauben kaum) ein Streifen Schlackwurst¬ 
pelle, 
Die Seiten links und rechts befleckt, befettet, 
And oben stand, nun was? stand „Mignon¬ 
lieder", 
And Witwe Marzahn las: „Dahin, dahin 
Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn." 
Nun war es klar. Am so 'was träg und 
langsam, 
Am Goethe, Verse, Mignon! 
Armer Lehrling, 
Ich weiß dein Schicksal nicht, nur eines 
weiß ich: 
Wie dir die Lehrzeit hinging bei Frau Marzahn, 
Ging mir das Leben hin. Ein Band von G oethe 
Blieb mir bis heut mein bestes Wehr und 
Waffen, 
And wenn die Witwe Marzahn mich gepeinigt 
And dumme Dinger, dienach Waschblau kamen. 
Mich langsam fanden, kicherten und lachten. 
Ich lächelte, grad so, wie du gelächelt, 
Fritz Katzfuß, du mein Ideal, mein Vorbild. 
Der Band von Goethe gab mir Kraft und 
Leben, 
Vielleicht auch Dünkel . . all genau dasselbe, 
Nur andres Laar und — keine Sommersprossen. 
Archibald Douglas. 
„Ich hab' es getragen sieben Jahr', 
And ich kann es nicht tragen mehr; 
Wo immer die Welt am schönsten war, 
Da war sie öd' und leer. 
„Ich will hintreten vor sein Gesicht 
In dieser Knechtsgestalt, 
Er kann meine Bitte versagen nicht, 
Ich bin ja worden alt. 
„And trüg' er noch den alten Groll, 
Frisch wie am ersten Tag, 
So komme, was da kommen soll, 
And komme, was da mag." 
Graf Douglas spricht's. Am Weg ein Stein 
Lud ihn zu harter Ruh, 
Er sah in Wald und Feld hinein. 
Die Augen fielen ihm zu. 
Er trug einen Äarnisch, rostig und schwer. 
Darüber ein Pilgerkleid, — 
Da horch, vom Waldrand scholl es her 
Wie von Lörnern und Iagdgeleit. 
And Kies und Staub aufwirbelte dicht, 
Lerjagte Meut' und Mann, 
And ehe der Gras sich aufgericht't, 
Waren Roß und Reiter heran. 
König Jakob saß auf hohem Roß, 
Graf Douglas grüßte tief, 
Dem König das Blut in die Wange schoß, 
Der Douglas aber rief: 
„König Jakob, schaue mich gnädig an 
And höre mich in Geduld! 
Was meine Brüder dir angetan. 
Es war nicht meine Schuld. 
„Denk nicht an den alten Douglas-Neid, 
Der trotzig dich bekriegt. 
Denk lieber an deine Kinderzeit, 
Wo ich dich aus den Knien gewiegt.
	        
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