Full text: Deutsches Lesebuch mit Bildern für einfache Schulverhältnisse

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113. Deutsche Treue. 
Cuther.) 
Uns Deutsche hat keine Tugend so hoch gerühmt und (wie ich glaube) bis— 
her so hoch erhoben und erhalten, als daß man uns für treue, wahrhaftige, 
z beständige Leute gehalten hat, die da haben Ja — ja, Nein — nein lassen sein, 
wie des viel Historien und Bücher Zeugen sind. Wir Deutschen haben noch 
ein Fünklein Gott woll's erhalten und anblasen) von derselben alten Tugend, 
nämlich daß wir uns doch ein wenig schämen und nicht gern Lügner heißen, 
nicht dazu lachen, wie die Welschen und Griechen, oder einen Scherz daraus 
treiben. Und obwohl die welsche und griechische Unart einreißt (Gott erbarm's!), 
so ist dennoch gleichwohl noch das übrig bei uns, daß kein ernster, greulicher 
Scheltwort jemand reden oder hören kann, denn so er einen Lügner schilt oder 
gescholten wird. Und mich dünkt, daß kein schädlicher Laster auf Erden sei, 
denn Lügen und Untreu' beweisen, welches alle Gemeinschaft der Menschen zer— 
15 trennt. Denn Lügen und Untreue zertrennt erstlich die Herzen; wenn die Herzen 
zertrennt sind, so gehen die Hände auch von einander; wenn die Hände von 
einander sind, was kann man da thun oder schaffen? Wenn Kaufleute einan— 
der nicht Glauben halten, so fällt der Markt zu Grunde. Wenn Mann und 
Weib einander nicht treu sind, so läuft sie hinten aus, der Mann vorn aus, 
20 und geht, wie jener sagt: Wehre, liebe Else, wehre, daß wir reich werden; 
zerbrich du Krüge, so zerbreche ich Töpfe. Wenn ein Bürgermeister, Fürst, 
König nicht Geleit treulich hält, so muß die Stadt verderben, Land und Leute 
untergehen. Darum ist auch im welschen Lande solch schändlich Trennen, Zwie— 
tracht, Unglück. Denn wo Treue und Glaube aufhöret, da muß das Regiment 
25 auch ein Ende haben. Christus helfe uns Deutschen! 
114. Die Hermanngsschlacht. 
Mach Duller und Pierson) 
Die Römer hatten durch Waffengewalt in Deutschland Fuß gefaßt. Nun 
versuchten sie die Germanen dauernd zu unterjochen. Der Mann, der diesen 
Versuch unternahm, war Quintilius Varus. Aber dieser übermütige und 
lasterhafte Mann spannte den Bogen zu stark. Vor allem wollte er den 
schlichten Leuten ihr gutes altes Recht entwinden. Während sonst die Gau— 
versammlung die einfachen Streitigkeiten schlichtete, saß jetzt der Römer zu 
Gericht, urteilte nach den römischen Gesetzen, welche den Deutschen ganz fremd 
waren, und diktierte entehrende Strafen. Wie Knechte behandelte er die freien 
Männer, nahm ihnen ihr Hab und Gut und beschimpfte sie noch dazu. 
Außerdem sollte der Deutsche den Römern eine Abgabe geben. 
Dieser Druck regte nun die Deutschen zu ingrimmigem Hasse auf. Keiner 
aber empfand die Unterdrückung mit größerer Scham und heißerem Zorn als 
40 der edle Cherusker Hermann (Armin), der Sohn Siegmars, ein Jüngling 
voll kühnen Mutes, voll Einsicht und Vaterlandsliebe. Er war mit anderen 
deutschen Jünglingen unter Römern erzogen; doch war sein deutsches Herz 
rein und unverderbt geblieben. Jetzt lebte er in Varus' nächster Umgebung, 
der ihn als einen römisch Gesinnten betrachtete. Er beschloß, sein Vaterland 
zu retten. Doch mit offner Gewalt allein war nichts zu erreichen. Denn die 
Römer waren im Besitze der festen Plätze, und auch im freien Felde hatten 
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