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Der Thronwechsel in Frankreich.
mit Schärfe hervor; der fromme Bischof von Hermopolis fürchtete die Er¬
bitterung, die ein so kühn durchgreifender Schritt erregen mußte; der Herzog
von Doudeauville, dessen Sohn eine höhere Ofsicicrftelle in der Nationalgarde
bekleidete, nahm seine Entlassung. 2n den Tuilerien selbst herrschte, nachdem
der Beschluß gefaßt war, nicht geringe Besorgniß. Man hielt eine auf¬
rührerische Bewegung, ja bewaffneten Widerstand für nicht unmöglich. Um
so größer war die Zufriedenheit, als man erfuhr, daß die Posten der National¬
garde ganz in der Stille von den Linientruppen abgelöst worden wären, und
daß Alles mit der größten Ruhe vorübergegangen sey. „Paris ist ruhig ge¬
blieben !" sagte man sich mit Frohlocken. Man glaubte einen entscheidenden
Sieg davon getragen zu haben und hielt erst jetzt die Revolution für voll¬
kommen und auf immer bezwungen
Die Entlassung der Natioualgarde hatte für die Negierung einen doppelten
Nachtheil; einmal vermehrte sie das Mißtrauen, das ohnedies jeden ihrer
Schritte begleitete, sodann crmuthigte sie die überspannte Partei, welche die
Macht an sich gerissen hatte, zu immer größerer Verwegenheit, weil jetzt,
ihrer Meinung nach, dem Volke die letzte Waffe entwunden war, von der es
Gebrauch machen konnte, sobald die Unterdrückung seine Geduld erschöpfte.
Es war daher zu erwarten, daß man von nun sich an keine Rücksicht mehr
gebunden halten und den Widerstand, den man nicht mehr fürchten zu dürfen
meinte, um so kecker herausfordern würde. Aber sonderbar genug gab gerade
um diese Zeit derselbe Minister, der durch seine rücksichtslose Kühnheit der
gefährlichste Gegner der Volksfreihcit war, der Siegelbewahrer Peyronnet,
der Nation ein bei weitem wirksameres Mittel des Widerstandes in die Hand,
als die Bajonette der Nationalgarde jemals gewesen wären, wenn man diese,
statt sie aufzuheben, in fester Ordnung zu halten gewußt hätte. Die Ultra¬
royalisten verdankten die Ueberlcgenheit, die sie in der Abgeordnetenkammer
besaßen, großentheils dem Einflüsse, den die Behörden auf die Wahlen aus¬
übten. Sobald die Drohungen und Versprechungen nicht ausreichten, deren
man sich gewöhnlich bediente, um die Wahlen im Sinne der Regierung zu
lenken, nahm man keinen Anstand, geradezu die Listen der Wähler zu ver¬
fälschen. Herr von Peyronnet, ein leidenschaftlicher, aber streng rechtlicher
Mann, scheint von diesem Verfahren keine Kenntniß gehabt zu haben; un¬
möglich hätte er sonst daran denken können, den Gesetzentwurf über die Ge-
schworuenlisten auszuarbeiten, den er gleichzeitig mit dem Preßgesetze den