Die Hansa. 19
wieder sucht man gegen solche Unbill Sicherung zu erlangen, aber die stete
Wiederholung zeigt nur, wie schwer sich der Rechtssatz Bahn bricht, daß
niemand fremdes Gut verwirken möge.
An der gemeinsamen Niederlassung, der Faktorei, hatte jeder Kauf¬
mann den schützenden Mittelpunkt seiner Thätigkeit. Es war nicht die
Faktorei, die etwa nach Art der modernen Erwerbsgesellschaft den Handel
betrieb. Man lebte nicht gemeinsam auf Gedeih und Verderb, sondern
jeder einzelne ging für sich seinen Geschäften nach und zahlte seinen Bei¬
trag zur Unterhaltung der gemeinsamen Einrichtungen. Nach dem Vorbilde
der heimischen Einungen hatten die Hansen im Auslande ihre korporative
Verfassung. An ihrer Spitze standen Alt) er nimm er, die ihre Gerichte und
ihre Versammlungen leiteten und die Gesellschaft nach außen vertraten. In
den Gerichten wurden die Streitigkeiten der Genossen unter einander erle¬
digt, in den Versammlungen, den Morgensprachen, Ordnungen und Sta¬
tute zur Regelung der Verhältnisse des Vereins und seiner Glieder ver¬
einbart.
Alles das, Besitztum, Geschäftsbetrieb und Verfassung, hätte auf
schwachem Grunde geruht, wenn sich nicht die Niederlassung des Schutzes,
der Privilegien des fremden Herrn, in dessen Land, oder der Stadtgemeinde,
in deren Mauern man weilte, zu erfreuen gehabt hätte. Mit schwerem
Gelde, durch Umsicht und kluge Benutzung von Personen, Zeiten und
Umständen hatte die Kolonie solche Privilegien, vorzugsweise Zoll- und
Handelsbegünstigungen, erworben. Oft genug mußte sie die Unsicherheit
solcher Konzessionen erfahren, aber nach erneuter, vielleicht erhöhter Zah¬
lung fand sie doch immer wieder Bereitwilligkeit zu Gewährungen, konnte
man doch weder des Kapitals, noch der Geschäftsgewandtheit der Fremden
entbehren.
Diese vom deutschen Kaufmann im Auslande errungene Stellung ist
einer der bezeichnendsten Züge der älteren hansischen Geschichte. So reiche
Kaufleute und Kaufmannsgesellschaften in späterer Zeit im südlichen Deutsch¬
land emporkamen, zn einer ähnlichen Bedeutung im Auslande haben sie es
nie gebracht, aus dem allerdings sehr erklärlichen Grunde, daß sie es mit
den entwickelten romanischen Nationen, die norddeutschen Städtebürger mit
kn hinter ihnen ait Gewerbfleiß, wie an Handelsgeist zurückstehenden Eng¬
ländern, Skandinaven und Russen zu thun hatten.
Ans sich selbst gestellt haben die norddeutschen Kaufleute ihre Erfolge
errungen. Nicht die Staatsregierung schloß die Handelsverträge, schützte
ihre Angehörigen im Auslande durch ihre Schiffe, ihre Gesandtschaften und
Konsulate. Inmitten einer kriegerischen und rechtlosen Zeit fand der deutsche
Bürger in feinen Einungen das Mittel zur Erreichung alles dessen, was
heute die Staatsgewalt in einem friedlichen und rechtlich geordneten Volker-
verkehr nur mit Aufbietung aller ihrer gesteigerten Machtmittel vermag.
Aber der große Unterschied weiltet zwischen heute und damals: was der
^>taat jetzt erreicht, ist allen seinen Angehörigen zugänglich; was die Hansen
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