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I. Der Aufgang des ewigen Lichtes.
Wie kam's aber dahin v o n Seite der Menschen?
DaS Volk staunte wohl über feine großen Thaten und
gewaltigen Predigten, und an Lob und Ehre von demselben
fehlte es ihm nicht. Aber es war bei den Allermeisten
doch nur äußerlicher Beifall und das Innere ihrer Seele
nicht ergriffen. Und da Jesus immer keine Anstalt machte,
ein Messiasreich »ach ihren Begriffen aufzurichten, wurden
sie in ihrem Warten auf ihn verdrossen, und ihre Anhäng¬
lichkeit an ihn konnte leicht in das Gegentheil umschlagen.
Die vornehmen Inden aber waren ihm gram von An¬
beginn; die Pharisäer verletzte und erbitterte er, indem
er ihre Werkheiligkeit bei nnbekehrtem sündenvollem Herzen
strafte, die Sadducäer, die fleischlichgesinnten Welt¬
menschen, stieß er mit seiner Forderung der Weltverleugnnng
und eines himmlischen Wandels zurück. Die eiteln Obern
zustimmt neideten ihn um seine Gunst beim Volke. Bei
solcher Gesinnung und Stimmung der Juden machte Jesus
seine letzte Reise nach Jerusalem.
Indessen ließ es sich Anfangs gar anders an, als es
darnach kam. Jesus batte kürzlich erst den Lazarus zu
Betbanieu, einem Flecken nahe bei der Hauptstadt, von
den Todten anferweckt, nachdem er schon vier Tage im
Grab gelegen war, und mit dieser Wnnderthat ein ganz
außerordentliches Aufsehen erregt. Als es nun hieß, erziehe
des Weges nach Jerusalem her, strömten sie ihn> von dort
zum Empfang entgegen. Es war 6 Tage vor seinem Tode.
Da ritt er auf dem Füllen einer Eselin — sanftmüthig
und demüthig — zur Königsstadt. Seine Jünger um¬
ringten ihn und die Menge des Volks umwogte ihn. Der
geringe Aufzug Jesu störte sie nicht; es war als ob etwas
von oben über sie gekommen wäre. Viele breiteten ihre
Kleider wie einen Teppich auf den Weg, Andere streuten
grüne Zweige auf den Weg, das Volk aber, das voran-
gieng und nachfolgte, rief: Hosianna (Heil) dem Sohne
Davids. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herr»!
Hosianna i» der Höhe! Sie bewillkommten ihn als den
verheißenen großen König Israels.