§ 1. Die alten Deutschen.
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den herrschsüchtigen Amer, und aus dessen Körperteilen
entstand erst diese irdische Welt, aus seinem Schädel das
Himmelsgewölbe, ans seinem Fleisch die Erde, aus seinen
Knochen die Felsen, ans seinem Blute das Meer re. Den
guten Göttern wurde von Alfadir das Regiment über die
sichtbare Welt verliehen.
Die obersten dieser Götter heiße» Äsen (deutsch: Ansen).
Wuotan (im Norden Odin genannt) ist der höchste von
allen; er wurde von den Germanen am meisten verehrt,
als Vater der Götter und Menschen, der Allwaltende,
er hat nur Ein Auge, mit welchem er ans einem Fenster
seiner Himmelsburg auf die Erde herabschaut; manchmal
aber jagt er auch auf grauem Roß im schwarzen Mantel
durch die Lüfte. Seine Frau hieß Frea oder Hulda,
die Göttin der Ehen, die für Haus und Hof sorgt. Zwei
Söhne Odins sind mit ihm die Höchsten: Tyr, unser
Ziu (im Zistag, Dienstag) auch Er genannt, der ein¬
händige Gott des Kriegs, und Thor oder Donar, der
Donnergott, welcher bei Gewittern seinen Streithammer
Miölluer auf die Erde herabschlendert, der aber gleich
wieder in seine Hand zurückfliegt. Nerthus oder Hertha
ist die Göttin der Erde, und die zwei folgenden: Freir,
der Gott des Ackersegens, und Freia, die Göttin der
Liebe, welche die Milchstraße als Halsschmuck trägt, sind
ihre freundlichen Kinder. Baldr, der Gott des Lichts,
ist der schönste unter allen Äse», ähnlich dem griechischen
Apollo. Braga, der Gott der Dichtkunst, singt seine
göttlichen Lieder zum Spiel der goldenen Harfe. U. s. f.
Außer den hohen Äsen gab es noch andere göttliche
Wesen, z. E. die drei Nor neu oder Schicksalsgöttinnen,
die Walkyren, oder die jungfräulichen Göttinnen des
Schlachtentodes; dann zwei feine Wesen: Snotra,
die Göttin der Sch amh a s tig keit, und G efi o n a, die
Göttin der Unschuld, welche beide die holdselige Freia
begleiten.
Die Menschen stammen von Einem Par, welches
Alfadir ans einem Eschen- und Erlenklotz bildete. Das