Full text: Geschichte des Alterthums (Theil 1)

4) Die ganze Literatur eines Volkes, welche der treuste und hellste 
Spiegel von dem geistigen Leben desselben ist. 
5) Mündliche Ueberlieferungen eines Volkes, selbst Sagen und 
Mythen. 
6) Denkmäler jeder Art, Altäre, Grabmäler, Denksäulen, Gemälde, 
Bildsäulen, geschnittene Steine, Waffen, Geräthschaften. 
Die Auffindung des Geschehenen oder Vorhaudengewesenen ist 
Aufgabe der Geschichtsforschung, die Prüfung und Sichtung der 
Quellen hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit ist Sache der Kritik. 
Die Ueberlieferungen vieler Völker beginnen mit Schöpfungs- ^^Aungs- 
sagen, welche in ihrer fabelhaften Hülle uns nur als die Anschauungs- ’q'" 
weise der Erzähler oder ganzer Zeitalter von Bedeutung sind. Be¬ 
wundernswürdig einfach ist die Erzählung von der Weltschöpfung, 
welche die Bibel enthält. Die Frage aber inwiefern in ihr sichere 
Auskunft über die Anfänge der Erde ertheilt wird, ist nach den ver¬ 
schiedenen Ueberzeugungen von der entscheidenden Autorität der heili¬ 
gen Urkunde sehr verschieden beantwortet worden. Auch die Auf- ^ch^-eNn- 
schlüsse, welche die Beobachtungen und Forschungen der Naturkundigen turwiffen- 
über die Urwelt gewähren, lassen nur auf einzelne Punkte jener |rt)llfsen' 
dunkeln Region Lichtstrahlen fallen. Den geringsten Aufschluß er¬ 
halten wir dadurch über die Urzeit des Menschengeschlechts, mehr 
über die Thierwclt, am meisten über die Erde. Die Verschiedenar¬ 
tigkeit des Gesteins, seine Lagerungen und Schichten zeigen die deut¬ 
lichsten Spuren großer Revolutionen, welche die Erde einst erlitten 
hat, oder vielmehr die Erdrinde, denn das Innere der Erde kennen 
wir nicht. 
Die Geologie, die Wissenschaft, welche die Bildung der Erd¬ 
rinde zu erforschen sucht, stützt sich auf die Beobachtung von That¬ 
sachen, welche auch in spätern Zeiten Veränderungen der Erdober¬ 
fläche hervorgebracht haben. Denn man nimmt an, daß dieselben 
Erscheinungen bei der ursprünglichen Bildung thätig gewesen sind. 
Diese Erscheinungen lassen sich auf zwei zurückführen, auf die Wir¬ 
kungen großer Wassermassen und der feuerspeienden Berge. Je nach¬ 
dem die Geologen von der erstern oder letzten: dieser Wirkungen die 
Bildung der Erdrinde vorzugsweise ableiteten, hat mau sie Neptu- 
nisten oder Vulkanisten genannt. Die Neptunisten meinen, daß die 
Erde aus Wasser durch Niederschlag und Zurückziehen des Meeres 
entstanden sei; die Vulkanisten, daß zur Bildung der Erde vorzugs¬ 
weise Feuer thätig gewesen sei. Das ^Vorkommen von Seemuscheln 
und andern Meergeschöpfen auf dem festen Lande, ja auf Bergen, 
zuweilen in solcher Menge, daß der ganze Boden daraus besteht, be¬ 
weist, daß sie dort vom Meere abgesetzt sein müssen, und brachte 
schon die Alten auf den Gedanken, daß das Meer einst die Oberfläche 
der Erde ganz bedeckt und mannigfaltige Veränderungen hervorge¬ 
bracht habe. Daran knüpfte sich die Ansicht, daß die ganze Erdbil¬ 
dung vom Wasser herrühre; sie scheint sich besonders in Aegypten, 
wo d:e Wirkungen großer Ueberschwemmungen fortwährend zu be¬ 
obachten sind, entwickelt zu haben. Die Griechen hingegen, deren 
Wohnplätze den Erdbeben und vulkanischen Ausbrüchen ausgesetzt 
waren, neigten sich mehr den vulkanischen Vorstellungen zu. 
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