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wieder. Nun wäre es sicherlich bald zu einem feindlichen Zusammenstoß
zwischen Macedonien und den griechischen Kolonien gekommen; aber im
Jahre 476 v. Chr. erhielt Athen die Hegemonie, und die griechischen
Städte an der thracischen Küste und in Chalcidice, sowie Methone in
Emathia traten der Bundesgenossenschaft bei und geriethen bald in
Zinspflichtigkeit und Abhängigkeit von Athen. Auch Macedonien durch
innere Kampfe geschwächt wurde unter der Form der Bundesgenos¬
senschaft von Athen abhängig. Perdikkas II., welcher in der ersten
Hälfte des peloponnesischen Krieges regierte, wußte mit schlauer und
hinterlistiger Politik, den blutigen Krieg, welchen die griechischen
Staaten mit einander führten, zur Befestigung und Erweiterung
seiner Macht zu benutzen. Unter Perdikkas II. trat Macedonien
durch seine äußere Macht ebenbürtig in das griechische Staaten¬
system ein, aber sein innerer Zustand berechtigte die Hellenen, es
noch als ein barbarisches Land anzusehen. Der Sohn des Perdik¬
kas, Archelaus wollte auch in dieser Hinsicht den Griechen nicht
nachstehen; er baute feste Plätze, deren es bis jetzt wenige gegeben
hatte, legte Straßen an, beförderte Ackerbau und Gewerbe und ver¬
besserte die schon von seinem Vater getroffenen Einrichtungen in
der Heeresbewaffnung, besonders bei der Reiterei. Während das
übrige Hellas durch den peloponnesischen Krieg verwirrt und zerris¬
sen wurde, verbreitete sich unter des Archelaus Leitung in Mace¬
donien das Licht höherer und zeitgemäßer Bildung; sein Hof, der
Sammelplatz von Dichtern und Künstlern und der Vereinigungspunkt
des macedonischen Adels, wurde das Vorbild für das Volk und des¬
sen fortschreitende Entwickelung. Archelaus selbst galt in dem Muude
seiner Zeitgenossen für den reichsten und glücklichsten Mann. Frei-
• lich fehlte es auch nicht an Griechen, welche die Bestrebungen des
Archelaus lächerlich fanden, dem rohen Stamme seiner Macedonier
das aufpfropfen zu wollen, was die Hellenen auf ihren Boden herr¬
liches gepflanzt hatten. Archelaus selbst war wenig gebildet, aber¬
gläubisch, grausam und den Ausschweifungen ergeben. Er hegte
die Kunst zur Befriedigung einer feineren und raffinirten Sinnlich¬
keit und weil sie dem am äußeren Schein hängenden großen Hau¬
fen Stoff zur Bewunderung gab.
Nach dem Tode des Ärchelaus sah Macedonien vierzig Jahre
hindurch von 399 bis 360 nur selten glückliche Zeiten, in fast un¬
unterbrochener Reihe folgte Unglück auf Unglück, äußere Feinde im
Osten und Westen, im Innern die Wuth der Parteien und dazu
häufiger Königsmord Am Ende dieses Zeitraumes schien alles Un¬
heil Macedonien treffen zu wollen; der König Perdikkas III. war
mit 4000 Macedoniern auf dem Schlachtfelde gefallen; die räuberi¬
schen Illyrier hatten einen Theil von Macedonien besetzt und die
rohen Päonier verwüsteten die ihnen benachbarten Striche; Athen
schickte ein Heer um den Kronprätendenten Argäus zu unterstützen;
die Thracier rüsteten sich zu einem Einfalle in das Land, um den
bereits zweimal vertriebenen ThronräuMr Pausanias als Herrscher
einzusetzen; und bei all' diesem Unglück saß ein Kind auf dem Throne,
Amyntas III., Perdikkas Sohn. In dieser bedenklichen Lage trat
Philipp II. auf, der Bruder des in der Schlacht gefallenen Königs
Perdikkas III.; er wurde der Netter seines Vaterlandes und der