Max v. Schenkendorf: Freiheit.
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7. Aus den stillen Kreisen
Kommt mein HirtenkindH,
Will der Welt beweisen,
Was es denkt und minnt.
8. Blüht ihm doch ein
Garten,
Reift ihm doch ein Feld
Auch in jener harten
Steinerbauten Welt.^)
9. Wo sich Gottes Flamme
In ein Herz gesenkt,
Das am alten Stamme^)
Treu und liebend hängt;
10. Wo sich Männer finden,
Die für Ehr'und Recht
Mutig sich verbinden,
Weilt ein frei Geschlecht.
11. Hinter dunkeln Wällen,
Hinter eh'rnem Thor
Kann das Herz noch
schwellen
Zu dem Licht empor;
12. Für die Kirchenhallen,
Für der Väter Gruft,
Für die Liebsten fallen,
Wenn die Freiheit ruft.
13. Das ist rechtes
Glühen,
Frisch und rosenrot:
Heldenwangen blühen
Schöner auf im TodstO)
14. Wollest auf uns lenken
Gottes Lieb' und LustU),
Wollest gern dich senken
In die deutsche Brust.
15. Freiheit, holdes Wesen,
Gläubig, kühn und zart,
Hast ja lang erlesen
Dir die deutsche Art.
I. Erläuterungen. 0) Meinen — im Sinne haben, lieben. 1) Die
Welt war damals von Napoleon I. bedrängt und in Ketten geschlagen.
2) Reigen ist hier der Tanz oder Flug in reiner, lichter Höhe mit den
Sternen am Himmelszelt um die Wette. 3) Das geheimnisvolle Blühen
und Duften ist Traum genannt. 4) Es weht ein milder Hauch voll
Duft und klingt der süße Gesang der Vögel. 5) Das Blätterrauschen
gleicht dem Gruß eines Freundes. Durch Blick, Wort und Gruß geben
wir unsere Liebe kund. 6) 1. Mos. 28, 12: Jakob träumte und siehe,
eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel,
und die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 7) Die Freiheit
kommt aus den stillen, lichten Kreisen des Himmels wie ein unschuldiges,
waffenloses Hirtenkind, um der mit Waffenlärm erfüllten Welt ihre
Gedanken des Friedens und ihre Liebe zum Guten und Schönen zu
zeigen. So brachte ein Hirtenmädchen, die Jungfrau von Orleans, dem
bedrängten Frankreich die Freiheit. 8) Die Erde wird hart und stein¬
erbaut genannt, besonders auch um der harten, steinernen Herzen willen.
9) Der alte Stamm ist das Vaterland und seine alte, ehrenfeste Sitte.
10) Wer für die heiligen Güter des Vaterlandes fällt, der blüht schöner
als eine blühende Rose und glüht heller als Morgenrot. 11) Die rechte
Freiheit macht fromm und gewinnt uns Gottes Huld.
II. Gedankengang. Str. 1. Ich sehne mich nach der rechten Fei-
heit. Str. 2. Ist sie nur droben zu finden? Str. 3. Auch im grünen
Wald weilt sie. Str. 4. Wonnig durchdringt sie uns da. Str. 5. Wohl
wird uns wie im Freundeskreise. Str. 6. Doch höher steigt die Sehn¬
sucht hinauf. Str. 7. Vom Himmel kommt die Freiheit und zeigt der
Welt ihr Denken und Minnen. Str. 8. Auch den harten Boden der
Welt Pflanzt und baut sie. Str. 9. Als heilige Flamme begeistert sie
für Liebe und Treue. Str. 10. Sie eint zu mutigem Kampfe für Ehre
und Recht. Str. 11. Auch düstere Festungen erhellt ihr Licht. Str 12.
Für alles, was wir lieben und ehren, ruft sie in den Kampf. Str. 13.
Die Helden verklärt sie mit unvergänglichem Ruhme. Str. 14. Möge
sie jedes deutsche Herz Gott angenehm machen! Str. 15. Die deutsche
Art gefällt ihr am besten.
Grundgedanke. Die rechte Freiheit stammt von oben, verklärt