Full text: Preußische Kulturarbeit im Osten (H. 97)

A. Dar „Retablissement" Ostpreußens? 
I. Über die Kolonisation Ostpreußens. ^ 
Kabinettsorder Friedrich Wilhelms I. an die Litauische Kammer. 
(2. 3uli 1718.) 
Damit Unsere bäuerlichen Unterthanen desto mehr zu Gott geführet 
werden, und also Segen und Gedeyen erlangen mögen, so wollen wir, daß 
in allen großen Dörfern Schulmeistere bestellet, und einem jeden eine halbe 
Hube Land, frei) von Zins, Kontribution und Einquartierung von Unsern 
wüsten Huben zu seinem Unterhalt eingegeben werden solle ... 
Und weilen . . . unumbgänglich nöthig, daß in den Rmbtern tüchtige 
Beambte, die gute Wirthe, und der Rechnungen erfahren seyen, bestellet 
werden, so wollen ü)ir vor dieselbe zureichende (Behälter conftituieren .. . 
Wir sind gäntzlich resolviret, die wüst gewordene Dörfer hinwieder und 
von nun an anbauen und besetzen zu lassen, zu welchem Ende ihr und 
die Beambte auf solche lviederbesetzung des Landes alle Mühe anzuwenden 
habet, und besorget seyn sollet, dahero denn auch ein Dorf nach dem andern 
wieder angebauet, nicht aber alles zugleich angefangen, einem jeden Bauern 
in den neuen Dörfern zwey Hufen eingeräumet und zum Besatz hinfüro, 
weile wir wahrgenommen, daß mit dem bisherigen Besatz der Bauer seine 
Wirthschaft nicht recht betreiben, noch den Acker, wie es sich gehöret, be¬ 
arbeiten können, vier Pferde und vier Ochsen, außer den andern Besatz- 
Stücken und zwar sogleich bey seinem Hntritt auf einmahl gegeben ... und 
jährlich bei dem einzusendenden (Etat zugleich deutlich berichten sollet, wie 
1 Kein geringerer Beurteiler als Friedrich der Große hat die (Erneuerung 
Ostpreußens eine „heroische Tat" genannt (vgl. A VII 2). Und wirklich ist es ein 
Riesenwerk gewesen, dessen König Friedrich Wilhelm I. sich unterfing. Wahrend 
des Schwedisch-Polnischen Krieges in den Jahren 1656—57 wurde es durch 
Tatareneinfälle aufs entsetzlichste verwüstet; 13 Städte, 249 Flecken und Dörfer, 
viele Einzelhöfe, 37 Kirchen wurden niedergebrannt, 23000 Menschen in die 
Sklaverei geführt. Dann kamen Hungersnöte, Seuchen, vor allem die große Pest 
1708—1711, die fast eine Viertelmillion, mehr als ein Drittel der Bevölkerung, 
hinraffte. Das Vieh starb an Hunger, Seuchen oder fiel, ohne Aufsicht, den 
Wölfen zum Opfer. Die Äcker wurden wüst. Die Bauern waren leibeigen, 
rechtlos, in Elend versunken, unwissend und träge. Aus diesem zerrütteten Lande 
hat der König in rastloser Arbeit wieder eine blühende Provinz gemacht — 
wahrlich, ein Lebenswerk für sich und doch nur eins von den vielen, unver¬ 
gänglichen Werken dieses gewaltigen, nicht überall voll gewürdigten Monarchen! 
2 Stadelmann. Friedrich Wilhelm I. in seiner Tätigkeit für die Landeskultur 
Preußens. S. 234f.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.