Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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trauend, begab er sich allein in das Lager seines Vaters, welches 
unweit Koblenz war. Heinrich IV., von dem Anblick des Sohnes 
tief ergriffen, fiel vor diesem nieder, umklammerte dessen Kniee und 
beschwor ihn bei allem, was den Menschen heilig ist, der unsitt¬ 
lichen Empörung gegen den eigenen Vater sich zu enthalten. Der 
junge Mann schien gerührt, warf sich nun seinerseits dem Vater 
zu Füßen und versicherte, daß er nichts wolle, als des Vaters Ver¬ 
söhnung mit der Kirche. Der Sohn versprach eine Versöhnung 
zwischen Kaiser und Reich zu Stande zu bringen und beredete den 
alten Mann, ihn mit einem geringen Gefolge nach Mainz zu be¬ 
gleiten, wo eine Neichsversammlung gehalten werden sollte. In 
Bingen erhielt aber der König, einer genommenen Abrede gemäß, 
die Nachricht, daß der Erzbischof von Mainz sich weigere, den ge¬ 
bannten Kaiser in die Stadt aufzunehmen, und bewog seinen Va¬ 
ter, bis zur ausgemachten Sache nach Beckelheim (einer Burg bei 
Kreuznach) zu gehen. Kaum war aber der betrogene Kaiser mit 
nur dreien seiner Leute in die Burg eingetreten, als er in strenge 
Haft gebracht und mit großer Härte behandelt wurde. 
In Mainz sollte der versammelte ReichSrath über den Kaiser 
entscheiden. Es war aber kein einziger von des Kaisers Freunden 
erschienen, das Volk fühlte das Unwürdige in der Behandlung des 
Kaisers und zeigte eine solche Theilnahme, daß die Herrn ihr Schein¬ 
gericht von Mainz nach Ingelheim verlegten. Dorthin brachte 
man auch den Kaiser und zwang ihn unter Kränkungen, dem Reiche 
und allen seinen Gütern zu entsagen. Und doch erhielt der tiefge¬ 
beugte Fürst weder die Lossprechung vom Banne, um die er den 
päpstlichen Legaten flehentlich bat, noch die Zusicherung seiner Frei¬ 
heit. Sein Sohn begab - sich mit den Fürsten nach Mainz und 
wurde als König von Deutschland anerkannt (im Januar 1106), 
Heinrich IV. aber, welcher noch Schlimmeres erleiden zu müssen 
fürchtete, entfloh von Ingelheim nach Köln und von da 
nach Lüttich. Er fand Unterstützung bei dem Bischof Otbert 
von Lüttich und dem Herzog Heinrich von Niederlothrin¬ 
gen, und der letztere schlug den an der Spitze eines Heeres nach¬ 
drängenden König zurück. In Lüttich, Köln, Bonn und anderen 
Städten erhoben sich die Bürger für den unglücklichen Kaiser, ob¬ 
gleich auf einem Reichstage zu Worms im Mai 1106 die Verthei¬ 
diger des Kaisers mit der Acht belegt und Reichstruppen gegen sie 
aufgeboten wurden. Ein neuer Krieg zwischen Vater und Sohn 
schien unvermeidlich, da kam plötzlich die Nachricht, daß der Kai¬ 
ser am 7. August 1106 in Lüttich gestorben sei. 
Der Bischof Otbert ließ den Kaiser in einer Kirche zu Lüttich 
mit kaiserlichen Ehren beisetzen; aber auf Befehl des Königs und 
der Bischöfe würbe die Leiche wieder aus der Kirche entfernt und 
in ein ungeweihtes Gebäude auf einer kleinen Insel in der Maas 
hingestellt. Hier ruhte sie eine Zeitlang, und ein aus Jerusalem 
zurückgekehrter mitleidiger Mönch betete Tag und Nacht am Sarge 
des verfolgten Kaisers für dessen Seele. Später ließ Heinrich V. 
den Leichnam seines Vaters nach Speier bringen und im dortigen 
Dom, den Heinrich IV. von Grund aus herrlich gebaut hatte, bei¬ 
setzen; aber der Bischof von Speier ruhte nicht eher, als bis man 
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