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dritten Jahrhunderts unter dem Könige Cormac O'Conn ge¬
wesen zu sein. Noch bedeutender als dieser König war dessen Feld¬
herr Fin, gewöhnlich Fingal genannt. Er vertheidigte die irische
Ansiedlung in Schottland gegen die Römer und fiel im Gefecht am
Ufer des Bayne, wo eine Stelle Fingals Grabhügel hieß. Sein
Geschleckt war eine Bardenfamilie. Von seinen Söhnen ist Oisin
unter dem Namen Ossian am berühmtesten geworden; doch war
nicht er, sondern sein Bruder Fergus der Hofdichter seines Va¬
ters. — Als das Christenthum zu den Iren kam, bewirkte nach
der Sage der heilige Patrik eine Veränderung im Bardenwesen,
indem er eine Kritik der Ueberlieferungen vornahm. Der Geschicht¬
schreiber der englischen Poesie, Warton, sagt, Patrik habe 300
Rollen alter heidnischer Dichtungen der Galen verbrennen lassen.
Durch ihre Anmaßung wurden die Barden eine wahre Landplage
(um 580); der König Hugh wollte sie verjagen; der Schvttenbe-
kehrer Columban aber entwarf eine neue Zunftordnung, durch
welche sie erhalten wurden. Die Zeit veränderte manches; aber zu
Anfang des 11. Jahrhunderts wurden die Schulen der Barden wie¬
der hergestellt.
Jeder Häuptling hielt sich seinen Hausbarden und der Einfluß
der Barden auf das Volk war noch unter Heinrich Vltl. so groß,
daß dieser bei Strafe der Vermögenseinziehung verbot, Barden zu
Botschaften in englischen Bezirken zu gebrauchen. Elisabeth be¬
folgte dieselben Grundsätze. Mit dem Lehnswesen hörte auch der
Bardenorden auf.
Bei der Gleichheit des Stammes der Schotten und Iren war
auch das schottische Bardenwesen dem irischen ziemlich gleich.
Der auf der Insel Jona bei Mull von dem Bekehrer Colum¬
ban gestiftete Bardenorden bewahrte viele Elemente der Druiden¬
weisheit, indem Christliches mit Heidnischem verschmolz. Der schot¬
tische Barde war, wie der irische, erblicher Diener des Edelman¬
nes. Zur feierlichen Begleitung des letzteren gehörten 9 Diener,
von denen der Barde den zweiten, der Pfeifer den achten, der Trä¬
ger des Dudelsacks den letzten Rang einnahm. Mit der Auflösung
der Erbgerichtsbarkeit 1748 hörte in Schottland der Orden auf.
Es ließ sich annehmen, daß von den Liedern und Sprüchen
der schottischen Barden sich einige Ueberreste erhalten hätten, und
daher kam zuerst ein gewisser Hieronymus Stona, ein Schul¬
lehrer zu Dunkeld, auf den Gedanken, den alten Ueberresten nach¬
zuspüren. Er gab auch Proben von seinem Funde in einer engli¬
schen Uebersetzung einiger Lieder Ossians, wurde aber durch den
Tod an der weiteren Ausführung seines Planes gehindert. Diesen
führte ein schottischer Geistlicher, James Marpherson, aus.
Nachdem er die schottischen Hochlande bereist und alle dort in dem
Munde des Volks und in Handschriften erhaltenen Gesänge der al¬
ten Barden gesammelt hatte, gab er seit 1762 eine Reihe von Ge¬
dichten als Gedichte des alten Barden Ossian in englischer
Uebersetzung heraus. Diese Gedichte haben in der ganzen civilisir-
ten Welt ein außerordentliches Aufsehen erregt und auf die neuere
Literatur, besonders auf die deutsche zu Klopstock's Zeit einen großen
Einfluß gehabt. Ganz Europa staunte über den aufgefundenen schot-