Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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mit religiösen Gebräuchen verbunden, und auch der Fürst erscheint 
hierbei thätig. Wenn die heiligen Rosse angeschirrt wurden,- um 
durch ihr Wiehern den Willen der Götter kundzuthun, dann be¬ 
gleitete sie der Vorsteher des Volkes, mochte es ein König ober 
gewählter Fürst sein. Aber neben dem König oder Fürsten wird 
auch der Priester genannt. Auch im Heere und in der Volksver¬ 
sammlung sind die Priester thätig. Man hat daraus auf eine alte 
Verbindung von Obrigkeit und Priesterthum schließen wollen; doch 
findet sich davon keine Spur. Ueberall ist die Stellung der Prie¬ 
ster von der der weltlichen Obrigkeit völlig verschieden. 
Die Fürsten genossen hohe Ehre und bedeutende Achtung unter 
dem Volke. Es war keine unbeschränkte Gewalt, die in ihre Hände 
gelegt wurde; doch Gehorsam, Achtung und Ehrfurcht vor dem 
Vorsteher des Staates ist mit der Freiheit nicht unverträglich. Den 
besten, tüchtigsten wählen die guten, tapfern Männer zum Fürsten, 
und ihm ordnen sie sich freiwillig unter. Sein Recht war es, Ge¬ 
schenke von dem Volke zu empfangen, dem er vorstand; auf den 
großen Versammlungen erschien jeder und brachte dem Fürsten Früchte 
des Landes, Vieh oder andere Gaben. Das war der Lohn für das 
Amt, und es mehrte seinen Reichthum. Von anderen Ehren, die 
der Fürst genoß, wird aus so früher Zeit wenig überliefert. Ta- 
citus erwähnt noch den Haarschmuck, der die Fürsten bei den Sue- 
ven auszeichnete. 
Es waren nun aber nicht bloß Obrigkeiten für den Frieden, 
sondern auch Anführer für den Krieg nöthig. Bei den Sachsen 
loosten die Fürsten, wenn ein Krieg drohte, und alle folgten dem 
als ihrem Führer und gehorchten ihm, welchen das Loos bestimmte. 
Nach Beendigung des Krieges waren alle Fürsten wieder einander 
gleich. Tacitus sagt: Heerführer (Herzöge, duces) wählen sie 
nach Tüchtigkeit, die Könige nach dem vornehmen Geschlecht. Bei 
den Sachsen wurde der Herzog aus der Mitte der Fürsten gewählt, 
und es ist wahrscheinlich, daß dieses Regel war, so daß der Herzog 
zugleich als Fürst angesehen werden kann. Es war alte Sitte, daß 
der gewählte Herzog von dem Volke auf den Schild gehoben und 
so von allen jubelnd begrüßt wurde. Auch auf die Könige ist die 
Sitte übergegangen und hat sich bei verschiedenen Stämmen lange 
erhalten. Wenn nun auch bei den größeren Völkerschaften, die aus 
mehreren Gauen bestanden, in der Person des Herzogs ein höchster 
Anführer gewählt wurde, so dürfen wir doch bei den Fürsten nicht 
bloß an eine Eivilgewalt denken. Wie später der Graf im fränki¬ 
schen Reiche zugleich Heer und Gericht leitete, obrigkeitliche Gewalt 
jeder Art im Frieden ausübte und im Kriege als ein mächtiger 
Beamter dastand, so wird es ähnlich in älteren Zeiten auch mit 
den Fürsten der Fall gewesen sein. Der Fürst war auch im Kriege 
der Anführer seines Bezirks. 
Das Ansehn und die Ehre des Fürsten vermehrte das Ge¬ 
folge, das ihn umgab. Tapfere Männer aus dem Volke schlossen 
sich dem Fürsten an; sie mußten stark, ihr Muth erprobt sein; jün¬ 
gere wurden nur aufgenommen, wenn erlauchte Herkunft oder Ver-
	        
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