Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

Varus Nie¬ 
derlage im 
teutodurger 
Walde. 
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führer gewählt. Sein erstes Unternehmen war, seine Landsleute 
und andere, welche sich anschlossen, aus der Nähe der Römer fort¬ 
zuführen und in dem von Gebirgen umschlossenen und beschützten 
Bojohemum anzusiedeln. Mit den Waffen in der Hand hatte man 
die neuen Sitze von Böheim erkämpft und die Bojer vertrieben, 
mit den Waffen mußte man den gewonnenen Boden behaupten. 
Die Eingewandcrten blieben ein stehendes Heer, dessen Führer sich 
auch zum Herrn der Nachbarvölker erhob. So ward durch Mar- 
bod ein großes suevisches Reich gegründet, das sich weit über Bö¬ 
heim hinaus erstreckte, dessen Kern aber die Markomannen waren. 
Von der militärischen Vorstandschaft stieg Marbod zum Haupte die¬ 
ses Reichs mit königlicher Gewalt empor. Er erbaute sich eine 
Burg, umgab sich mit einer Leibwache und nahm den Königs¬ 
titel an. 
Das schnell entstandene suevische Reich, welches immer mehr 
zunahm an Ausdehnung und innerer Kraft, bildete eine hemmende 
Kluft zwischen dem Römerbesitz am südlichen Ufer der Donau und 
am Rhein. Auch erregte Marbods zweideutige Gesinnung gegen 
Rom Argwohn. Der Schlaue vermied jeden Anlaß zu einem of¬ 
fenen Bruch. Oft schickte er Gesandte nach Nom, aber diese em¬ 
pfahlen ihn heute als einen Schutzsuchenden dem Augustus und re¬ 
deten morgen mit dem Kaiser von Marbod wie von einem Gleichen. 
Der König behandelte zwar die Römer, welche seine Hauptstadt 
besuchten, mit Auszeichnung, aber auch jeder Feind der Römer fand 
in seinem Reiche ein Asyl. Besorgnisse erregte zu Nom besonders die 
große stehende Streitmacht des Königs^ 70,000 Mann zu Fuß und 
4000 Reiter übte Marbod nach römischer Kriegskunst in beständi¬ 
gen Kriegen gegen benachbarte Völker. Mit Recht hielt Augustus 
diese kleineren Kriege für eine Kriegsschule zu einem großen Unter¬ 
nehmen. Genug Anlaß für Rom zu einem Kriege. Mit einem 
Heer von zwölf Legionen sollte Marbods Reich im Frühling 6 n. 
Chr. vernichtet werden. Schon im Winter hatte Tiberius zu Car- 
nutum an der Donau Truppen zusammengezogen, und ein anderes 
römisches Heer sollte durch den hercynischen Wald einen Weg hauen 
und von Westen gegen Böheim vordringen. Bereits hatten sich 
beide Heere bis auf fünf Tagereisen den Vorposten der Feinde ge¬ 
nähert und sollten in wenigen Tagen sich vereinigen, als ganz Pan¬ 
nonien und Dalmatien sich in einem gemeinschaftlichen Aufstande 
gegen die Römer erhoben. Die römischen Legionen waren zur Be¬ 
ruhigung dieser Provinzen durchaus erforderlich, und Tiberius schloß 
deshalb Frieden mit Marbod. Das Verhältniß zwischen Rom und 
Marbod blieb nun noch einige Jahre so lau und zweideutig, wie 
es bisher gewesen war. 
Ihren Besitz im nordwestlichen Germanien hielten die Römer 
bereits für gesichert, und die dortigen Völker schienen fähig und 
geneigt zu einer völligen Romanisirung. Die römischen Stand- 
und Waffenplätze waren hier und da zu Ortschaften erwachsen, de¬ 
ren Märkte die Umwohner zu regem Verkehr lockten. Die dorti¬ 
gen Germanen nahmen mehr und mehr römische Sitte und Lebens¬ 
weise an und dienten immer häufiger in den römischen Heeren.
	        
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