Varus Nie¬
derlage im
teutodurger
Walde.
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führer gewählt. Sein erstes Unternehmen war, seine Landsleute
und andere, welche sich anschlossen, aus der Nähe der Römer fort¬
zuführen und in dem von Gebirgen umschlossenen und beschützten
Bojohemum anzusiedeln. Mit den Waffen in der Hand hatte man
die neuen Sitze von Böheim erkämpft und die Bojer vertrieben,
mit den Waffen mußte man den gewonnenen Boden behaupten.
Die Eingewandcrten blieben ein stehendes Heer, dessen Führer sich
auch zum Herrn der Nachbarvölker erhob. So ward durch Mar-
bod ein großes suevisches Reich gegründet, das sich weit über Bö¬
heim hinaus erstreckte, dessen Kern aber die Markomannen waren.
Von der militärischen Vorstandschaft stieg Marbod zum Haupte die¬
ses Reichs mit königlicher Gewalt empor. Er erbaute sich eine
Burg, umgab sich mit einer Leibwache und nahm den Königs¬
titel an.
Das schnell entstandene suevische Reich, welches immer mehr
zunahm an Ausdehnung und innerer Kraft, bildete eine hemmende
Kluft zwischen dem Römerbesitz am südlichen Ufer der Donau und
am Rhein. Auch erregte Marbods zweideutige Gesinnung gegen
Rom Argwohn. Der Schlaue vermied jeden Anlaß zu einem of¬
fenen Bruch. Oft schickte er Gesandte nach Nom, aber diese em¬
pfahlen ihn heute als einen Schutzsuchenden dem Augustus und re¬
deten morgen mit dem Kaiser von Marbod wie von einem Gleichen.
Der König behandelte zwar die Römer, welche seine Hauptstadt
besuchten, mit Auszeichnung, aber auch jeder Feind der Römer fand
in seinem Reiche ein Asyl. Besorgnisse erregte zu Nom besonders die
große stehende Streitmacht des Königs^ 70,000 Mann zu Fuß und
4000 Reiter übte Marbod nach römischer Kriegskunst in beständi¬
gen Kriegen gegen benachbarte Völker. Mit Recht hielt Augustus
diese kleineren Kriege für eine Kriegsschule zu einem großen Unter¬
nehmen. Genug Anlaß für Rom zu einem Kriege. Mit einem
Heer von zwölf Legionen sollte Marbods Reich im Frühling 6 n.
Chr. vernichtet werden. Schon im Winter hatte Tiberius zu Car-
nutum an der Donau Truppen zusammengezogen, und ein anderes
römisches Heer sollte durch den hercynischen Wald einen Weg hauen
und von Westen gegen Böheim vordringen. Bereits hatten sich
beide Heere bis auf fünf Tagereisen den Vorposten der Feinde ge¬
nähert und sollten in wenigen Tagen sich vereinigen, als ganz Pan¬
nonien und Dalmatien sich in einem gemeinschaftlichen Aufstande
gegen die Römer erhoben. Die römischen Legionen waren zur Be¬
ruhigung dieser Provinzen durchaus erforderlich, und Tiberius schloß
deshalb Frieden mit Marbod. Das Verhältniß zwischen Rom und
Marbod blieb nun noch einige Jahre so lau und zweideutig, wie
es bisher gewesen war.
Ihren Besitz im nordwestlichen Germanien hielten die Römer
bereits für gesichert, und die dortigen Völker schienen fähig und
geneigt zu einer völligen Romanisirung. Die römischen Stand-
und Waffenplätze waren hier und da zu Ortschaften erwachsen, de¬
ren Märkte die Umwohner zu regem Verkehr lockten. Die dorti¬
gen Germanen nahmen mehr und mehr römische Sitte und Lebens¬
weise an und dienten immer häufiger in den römischen Heeren.