Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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hörte auf im sechzehnten Jahrhundert. Das Mittelalter hatte seine Aus. 
gäbe gelöst; seine Zeit war erfüllt. 
Die Aufgabe der Neuzeit ist der Staat; die Feststellung der Rechte 
und Pflichten der Einzelnen gegen einander und gegen die Gesammtheit. 
Der Geist dieser Zeit ist überwiegend weltlich, politisch. Die Kunst, 
durch die Strömung der Zeit aus der engen Verbindung mit der Kirche 
gerissen und nicht mehr erwärmt von den Ideen der Vorzeit, sah ihre 
bisherigen Kräfte schwinden. Die Verweltlichung der Kunst, auch der 
religiösen, war demnach die natürliche Folge, und eine trübe oder schwache 
Anschauung der religiösen Aufgaben mußte sich der gesammten Kunst¬ 
thätigkeit mittheilen. 
Den Mittelpunkt für die Kunstthätigkeit dieser Zeit bildet München. 
Hier hatte die Kunstliebe der Fürsten eine große Regsamkeit hervorge¬ 
rufen. Paläste und Kirchen entstanden, Sammlungen wurden angelegt, 
Künstler berufen und Gemälde in Oel, in Fresco und in Miniatur aus¬ 
geführt. Nächst München war Prag eine Hauptwerkstätte der Kunst 
durch Kaiser Rudolf II., der Künstler berief und große Unternehmungen 
ausführte. 
Die deutsche wie die gesammte nord-europäische Baukunst war im 
fünfzehnten Jahrhundert dermaßen ausgeartet, daß eine Weiterentwicke¬ 
lung in der bisher befolgten Richtuug nicht möglich war. In Italien 
hatte man sich seit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts von der go¬ 
thischen Baukunst wieder zu der antiken gewendet. Man feierte diese 
Umkehr als einen Triumph der Bildung, des guten Geschmacks, und 
gab ihr den Namen der Wiedergeburt (Renaissance). Da aber die 
moderne Baukunst in der Anlage und Eintheilung der Gebäude andere 
Bedingungen zu erfüllen hatte, so konnte man sich der antiken Baukunst 
nur zur Ausschmückung der Gebäude bedienen. Als schönstes und reich¬ 
stes Schmuckmittel wurden die Säulenordnungen mit ihrem Gebälke er¬ 
kannt, sie wurden aber den Faxaden nur äußerlich gewissermaßen ange¬ 
hängt und wurden in Composition und Verhältnissen vielfach abgeändert. 
Auch alle anderen architektonischen Glieder, Bogen, Gesimse u. s. w. 
wurden als bloße Verzierung ohne Bestimmung benutzt, und in der Auf¬ 
häufung, Wiederholung und Umkehrung derselben der Ausdruck von 
Pracht und Reichthum gesucht. In Italien, wo ein feines Schönheits¬ 
gefühl ein altvererbtes Volkseigenthum ist und wo große Talente in der 
neuen Richtung thätig waren, entwickelte sich diese Baukunst zu impo- 
nirender Vollkommenheit. Zugleich traten auch in der Malerei und Bildne¬ 
rei Kräfte hervor, wie sie die Welt seit undenklichen Zeiten nicht mehr 
gesehen hatte, und die italienische Kunst wurde das Vorbild für Europa. 
Von dort holte man sich Kenntnisse, Geschmack, Fertigkeiten, Vorbilder 
und Künstler. In jedem Lande nahm aber die Kunst Veränderungen 
der italienischen Formen vor. In Deutschland räumte die gothische Bau¬ 
kunst nur Schritt für Schritt den Platz Es entstanden daraus wunder¬ 
liche Compositionen. Ganz besonders reich an Beispielen dieses Zwitter¬ 
stiles ist Nürnberg. Bei der Renaissance überwuchert die Ornamentik 
das ganze Bauwerk bis in die kleinsten Theile. Während die höhere 
Baukunst früherer Zeit fast nur an Kirchenbauten ihre Kräfte setzte, führte 
die Baukunst des sechzehnten Jahrhunderts in Deutschland fast nur welt¬ 
liche Gebäude auf, fürstliche Schlösser, Wohn-, Kauf- und Rathhäuser.
	        
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