Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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durch welchen die Letztere das Gouvernement von Anjou sammt der 
Stadt Angers und Verzeihung für ihre Anhänger erhielt. Die Königin 
betrachtete die ihr gemachten Zugeständnisse nur als den Anfang größe¬ 
ren Gelingens; auch dauerte die Unzufriedenheit des Adels mit dem 
Günstling fort. Ehe ein Jahr verging, verließen viele Große Paris und 
rüsteten sich für die Königin. Der König zog mit einem Heere in die 
Normandie; doch kam durch Richelieu ein neuer Vertrag zu Stande, in 
Folge dessen die Königin die Erlaubniß zur Rückkehr an den Hof erhielt. 
Dafür wurde Richelieu durch Luynes der Kardinalßhut verschafft. 
Wie in Deutschland hatte auch in Frankreich seit der Mitte des 
sechzehnten Jahrhunderts eine Reaction des Katholicismus statt¬ 
gefunden. Heinrich IV. hatte durch würdige Besetzung der Kirchenstellen 
zur Hebung der katholischen Kirche beigetragen. Die Kirche selbst war 
mit wichtigen Reformen in ihrem Innern beschäftigt; die Benediktiner, 
Dominikaner und Franziskaner traten zu neuen Congregationen zusammen 
und widmeten sich neben ihren eignen Studien der Erziehung und dem 
Unterricht. Ein ähnlicher Eifer für Erziehung, Krankenpflege, Wohlthä¬ 
tigkeit, für eigene Befestigung und Erbauung im Glauben lebte in den 
Congregationen der Nonnen. Dies hatte die Folge, daß viele Hugenotten 
zum Katholicismus übertraten, zumal aus dem Adel, welcher den alten 
Glauben für eine Stütze des Königthums und der Ritterschaft hielt, 
während bei den Hugenotten mehr das demokratische Element hervortrat. 
Heinrich IV. hatte bei seiner Aussöhnung mit dem Papst gelobt, die 
der katholischen Geistlichkeit in Bearn entzogenen und den Evangelischen 
geschenkten Güter und Kirchen den Katholiken zurückzugeben. Die Zurück- 
gäbe dieser Güter wurde 1617 durch ein Edict befohlen und 1620 aus¬ 
geführt. Erschrocken beriethen sich die Hugenotten zu La Rochelle 
über die Mittel zur Erhaltung ihrer Freiheiten und ihres Glaubens. 
Sie bildeten einen Staat im Staate, sie hatten 700 Kirchsprengel inne, 
4000 Adelige hielten sich zu ihnen, 200 befestigte Orte waren in ihren 
Händen und sie konnten 25,000 Bewaffnete ins Feld stellen. Sie be¬ 
riethen zu La Rochelle eine festere Organisation ihres Bundes und ge¬ 
horchten dem Befehle des Königs nicht auseinander zu gehen. Da 
beschloß Luynes offenen Krieg gegen die Hugenotten. Während des 
Krieges starb Luynes (1621), dessen Anmaßungen in der letzten Zeit den 
Unwillen des Königs erregt hatten. Mit den Hugenotten wurde 1622 
ein Friede geschlossen, welcher das Edict von Nantes bestätigte. 
Nach dem Tode von Luynes setzte es (1624) die Königin Maria 
durch, daß Richelieu in den Staatsrath aufgenommen wurde, 
jedoch unter der Bedingung, nur dann seine Meinung zu sagen, wenn 
er dazu aufgefordert werde. Kaum aber hatte der gewandte Mann hier 
Fuß gefaßt, als er auch nach einem halben Jahre an die Spitze der 
Regierung gestellt wurde. Als Richelieu die Geschäfte übernahm, be¬ 
trugen sich die Großen und die Befehlshaber der Provinzen wie unab¬ 
hängige Herren. Die auswärtigen Verhältnisse wurden vernachlässigt, 
das öffentliche Wohl dem persönlichen Vortheil nachgesetzt und die kö¬ 
nigliche Gewalr verachtet. Seitdem Richelieu zum Minister ernannt 
war, gebot nur er über die Verwaltung des Reiches. Er verstand es 
den das Reich mit innerer Auflösung bedrohenden Uebeln kräftig und 
nachdrücklich entgegen zu arbeiten. Mit eiserner, in Verfolgung seines
	        
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