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half, bei Seite geworfen wurde. Da alle andern Auskunftsmittel
sich nutzlos erwiesen hatten, mußte sich der Hof zur Rückberufung
Neckers (1788) und zur Einberufung der Etats generaux, der
Reichsstände entschließen.
II. Z>ie französische Devolution.
1. Die konstituierende Nationalversammlung 1789—1791.1789-1791.
Der Zusammenbruch des alten Sustems. ]) Als die
Reichsstände am 5. Mai 1789 in Versailles zusammentraten. in
einer Zeit, in der das Volk durch Teuerung und Hungersnot be-
sonders erregt war, zeigte sich sofort, daß die Regierung kein klares
Programm hatte und deswegen die Zügel aus der Hand verlor.
Sie hatte von den drei Ständen — Adel, Geistlichkeit und dritter
Stand — dem letzteren die doppelte Zahl der Mitglieder gegeben,
aber nicht einmal sich entschieden, ob, wie früher, von den drei
Ständen getrennt beraten und nach Ständen gestimmt oder von allen
zusammen beraten und nach Köpfen abgestimmt werden solle. Letz-
teres verlangte der dritte Stand. Sogleich forderte er denn auch
die beiden andern Stände zu gemeinsamer Beratung auf und kon-
stituierte sich am 17. Juni 1789 unter dem Vorsitz Baillys als
„Nationalversammlung". Zwar hob der König in einer könig-
lichen Sitzung die letzten Beschlüsse auf. Als aber der dritte Stand
in der eingeschlagenen Richtung beharrte, gab er nach. Adel
und Geistlichkeit mußten sich mit dem dritten Stand vereinigen.
2) Außerhalb der Versammlung wuchs die Aufregung, geschürt
hauptsächlich von den Agitatoren des Palais-Royal, das dem ruch-
losen, ehrgeizigen Herzog von Orleans gehörte und den Wühlereien
und Aufreizungen eines Camille Desmoulins, Marat u. a. seine
Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Als der Hof der immer
drohenderen Bewegung ernstlich entgegenzutreten suchte, zuverlässiges
Militär heranzog und ein Ministerium der rettenden That berief,
lösten sich in die Bande der Ordnung. Die Volksmasse
griff die Bastille, die als Staatsgefängnis besonders verhaßt war,
an; die kleine Besatzung ergab sich nach schwacher Gegen-
wehr; dennoch wurde der Kommandant de Launay und seine Offi-
ziere niedergemacht. Der König gab wieder nach, entließ das neue
Ministerium, bestätigte die Wahl Lafayettes zum Oberbefehlshaber
der neu gegründeten Nationalgarde, Baillys zum Matte von Paris.
Ja der König erschien zum Zeichen der Versöhnung in Paris.
Von da an war eigentlich keine Regierung mehr in Frankreich.
3) Anarchische Zustände traten ein. Die Anhänger der alten
Ordnung der Dinge begannen sich ins Ausland zu flüchten, einzelne
wurden schon in den Straßen von Paris greulich ermordet. ?Dazn
begann draußen auf dem Lande ein gräßlicher Bauernkrieg, viel