Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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und Formen eines asiatischen Druckes unterworfen. Der Zar war un¬ 
umschränkter Herrscher über Leben und Eigenthum der Unterthanen. 
Selbst die grundbesitzenden Klaffen konnten das freie Eigenthum in kei- 
ner Weise geltend machen. Der Zar war auch gewissermaßen der ein- 
zige Kaufmann, er übte ein Verkaufsrecht über sämmtliche in- und aus¬ 
ländische Waren. Kein fremder Kaufmann durfte seine Waren an Andere 
verkaufen, wenn der Zar erklärt hatte, daß er sie kaufen wolle. Der 
Zar ließ in den einzelnen Provinzen die Waren, die in denselben pro- 
ducirt wurden, zu niedrigen Preisen aufkaufen und verkaufte sie dann 
mit ansehnlichem Aufschlag an die einheimischen wie fremden Handels, 
leute. Außer den Regalien auf Branntwein, Meth, starkes Bier und 
Getraide pflegte der Zar zu Zeiten auch solche Produkte seinem Monopol 
zu unterwerfen, die für .ihn als Abgabe eingenommen wurden, wie Pelz¬ 
werk, Wachs, tatarische Pferde, Leinwand u. s. w., so daß von diesen 
Gegenständen niemand etwas verkaufen durfte, bis die kaiserlichen Vor- 
räthe zu erhöhten Preisen abgesetzt waren. Da im Handel der red¬ 
liche Gewinn geradezu unmöglich gemacht wurde, so waren unmorali¬ 
sche Mittel und Wege bald allgemeine Nothwehr, und der Russen Trug 
und Arglist war weltbekannt. 
Der Stapelplatz des russischen Binnenhandels war Moskau, zu¬ 
gleich auch der Markt für die südlichen Einfuhren, die zu Lande kamen. 
Dahin brachten Greichen orientalische Luxuswaren, sie übergaben diesel- 
ben dem Zar als Geschenk, und dieser ließ sie abschätzen und gab ihnen 
dafür Zobel und anderes Pelzwerk. 
Der Barbarei, in welcher sich die russische Nation befand, wurde 
sie durch den aufgeklärten Despotismus Peters I. entrissen. Die Ver- 
bindung mit der Außenwelt über das weiße Meer war eine unnatürliche 
Beschränkung, und deshalb strebte Peter nach dem Besitz der Ostsee- 
länder. Durch Vermittlung holländischer Kaufleute in Moskau wurden 
tüchtige Zimmerleute herbeigeschafft, Schiffswerften zuerst auf Flüs¬ 
sen und Binnenseen, dann in Archangel errichtet. Brennende Wißbe¬ 
gierde und unermüdliche Strebsamkeit trieben den jungen Fürsten, eine 
Reise nach Holland und England zu unternehmen. In Begleitung aus¬ 
gezeichneter Lehrkräfte, für deren Gewinnung er kein Opfer scheute, 
kehrte er in sein Reich zurück, um mit ihnen das Werk der Reform zu 
beginnen. Um den Russen die Ostsee zu öffnen, begann Peter den 
Krieg mit Karl XII. An der äußersten westlichen Grenze des Reiches, 
gewissermaßen noch auf fremdem Grund und Boden baute er die neue 
Hauptstadt; sie sollte die Bildungssormen des Westens annehmen und 
gleichsam das Thor sein, durch welches europäische Bildung und Ge¬ 
sittung in Rußland einzögen. Die Schlacht bei Pultawa (1709) 
entschied das Schicksal des Nordens, sie befestigte die Schöpfung Peters 
und stürzte die Größe Schwedens. In kurzer Zeit war Petersburg 
nicht nur die glänzende Residenz, sondern auch die blühendste Handels¬ 
stadt Rußlands. Um den Handel in Petersburg zu konzentri- 
ren, erging der Befehl, daß alle Kaufleute aus den umliegenden Pro- 
vinzen ihre Waren nach der neuen Hauptstadt führen sollten. Hanf und 
Juchten durften nur über Petersburg ausgeführt werden. Die angese- 
hensten Kaufleute von Archangel erhielten den Befehl nach Petersburg 
überzusiedeln. Von sämmtlichen russischen Produkten sollten zwei Drittel 
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