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neben leisten denn auch die Baumwollen-, Wollen- und Linnenfabriken in
den verschiedenen Theilen des Landes nicht Unbedeutendes. Außer Paris
herrscht in den an Belgien grenzenden Städten, in St. Etienne und Lyon
die größte industrielle Thätigkeit, deren Erzeugnisse rasch in alle Theile des
In- und Auslandes entweder vermittelst der Eisenbahnen oder der Wasser-
wege versendet werden können. Die bedeutendsten Seehandelsplätze Frank-
reichs sind Marseille, Bordeaux, Havre, Nantes und Brest; im Innern
treiben Paris, Lyon, Rouen, Nimes, Nantes u. a. den meisten Handel.
Das französische Volk wird von allen ziemlich gleich geschildert, und
in dem, was Julius Cäsar in seinem gallischen Kriege von dem Tempera-
mente der Gallier erzählt, treffen wir bereits die Anfänge des jetzt ent-
wickelten Volkscharakters. Die Franzofen sind im Allgemeinen gut gebaut,
nicht groß, in ihren Bewegungen leicht, behend und flink. Ihr Tempera-
ment neigt sich entschieden zur Fröhlichkeit und Heiterkeit, aber auch zur
Heftigkeit und Streitsucht. Wie leicht braust ein Franzose ans! Wie rasch
ist er Feuer und Flamme! Wie bald ist er für eine Sache begeistert, wie
schnell verflackert aber auch seine Hitze, sein Zorn, seine Begeisterung! Die
Franzosen sind gesellig, sehr höflich und gutmüthig. Die Sitten der Na-
tum darf man nicht, wie häufig geschieht, nach der Verdorbenheit der Haupt-
stadt beurtheilen. Besonders ist den Franzosen eine große Eitelkeit, ein bedeuten-
der Nationalstolz und eine ins Kleinliche gehende Höflichkeit im geselligen Umgange
eigen. Der Engländer spricht selten mit einem Fremden und hält den letztern,
wenn er ebenfalls fchweigt, für einen gebildeten, anständigen Mann. Der Deutsche
entschließt sich schwer, der Franzose wird es nie unterlassen, mit Reisenden ein
Gespräch und eine Bekanntschaft anzuknüpfen, die aber bald wieder vergessen
wird. Im Genüsse von Speise und Trank ist der Franzose entschieden
mäßiger, als der Engländer und Deutsche, bei welchen keine festliche Ge-
legenheit ohne einen großen Aufwand von Gerichten und Weinen be-
gangen werden kann. Besonderes Gewicht legt der Franzose im öffentlichen
und Privatleben auf einen Witz (bon-mot); dieser vermag eine ganze Ge-
schichte zu verderben und angesehene Personen für immer ihres Einflusses
zu beraubeu. Bei dieser Leichtigkeit des französischen Naturells ist es denn
nicht zu verwundern, daß die Bildung der Franzosen keine sehr gründliche
ist. Viele Tausende, denen es an äußerer Politur gar nicht fehlt, können
weder lesen noch schreiben. Noch jetzt wachsen viele Tausende ohne Unter-
richt auf, da noch lange nicht jede Gemeine eine Volksschule hat. Dagegen
ist für die höhere Bildung durch Privat- und Staatslehranstalten gut ge-
sorgt. Besonders viel haben die Franzosen in den Natur- und Militär-
Wissenschaften und in der Mathematik geleistet; in anderen Wissenschaften
verschwinden dagegen ihre Leistungen im Vergleiche mit den deutschen und
englischen Studien.
Die Handelsmarine bestand 1867 aus 15,602 Schiffen mit 1,048,679
Tonnen Gehalt, die Schiffe für Küstenschifferei nicht gerechnet, die Kriegs-
flotte aus 480 Fahrzeugen mit 9700 Kanonen.
Während des letzten, für Frankreich unglücklichen Krieges mit Deutsch-
land brach in Paris eine Revolution aus. Die Führer derselben erklärten
den Kaiserthron für erledigt und proklantirten am 4. September 1870 die
Republik.
Das Land ist in 87 Departements getheilt, die ihre Namen fast alle
nach den Flüssen und Bergen führen. Im Mittelalter bestand es, wie
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