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XV. Preußen seit 1840.
gefährliche Lücke gefüllt, welche feine Ost- und Westhälfte von
einander trennte. Und was nicht minder hoch anzuschlagen ist,
das war der Umschwung, der in der Gesinnung des Volkes bei
jeder neuen Sieges-Nachricht immer gewaltiger hervorbrach. Der
alte echt preußische, patriotische Sinn trat in' seiner ganzen Stärke
hervor, nicht stolz und engherzig, sondern offen, bieder und mild¬
thätig. Eine unendliche Menge von Liebesgaben aller Art wur¬
den mit freudiger Bereitwilligkeit dargebracht, und wie die Jo¬
hanniter und andere edle Männer und Frauen im Felde mit be¬
geisterter Aufopferung sich der Verwundeten und Kranken an¬
nahmen, so pflegten Einzelne und Vereine daheim diejenigen, deren
Zustand einen weiteren Transport aushalten konnte, und sorgten
für die Wittwen und Waisen der Gefallenen. Der Empfang
der siegreichen Truppen endlich am 20. und 21. September in
der festlich geschmückten Hauptstadt war wohl großartiger, aber
er konnte nicht herzlicher sein als der, welcher den heimkehren¬
den Truppen in ihren alten Garnisonen bereitet war, und das
kirchliche Sieges - Dankfest am 11. November gab dieser Stim¬
mung eine höhere Weihe.
Eben dieselbe Stimmung sprach sich auch in dem neu zu¬
sammengetretenen Landtage aus, so daß seine Stellung zu dem
Ministerium eine gänzlich veränderte wurde. Er genehmigte die
Einverleibung der gewonnenen Länder und die Dankesgaben,
welche der Staat den Männern gewährte, durch deren Verdienste
so Großes erreicht war; er bewilligte das Budget im Ganzen
so, wie es ihm vorgelegt worden, nachdem die Regierung, im
Gefühl ihrer Stärke, die Hand zur Versöhnung dadurch geboten
hatte, daß sie Indemnität für ihre früheren Maßregeln in dieser
Beziehung verlangte. Er genehmigte endlich das Gesetz, nach
welchem die Urwahlen für die zu berufende Reichs-Versammlung
des norddeutschen Bundes stattfinden sollten, so daß dasselbe be¬
reits am 15. October veröffentlicht werden konnte.
Was Graf Bismarck früher geäußert, nur durch Blut und
Eisen werde Deutschland geeinigt werden, das hat das Jahr 1866
in der That in Erfüllung gebracht. Die Fürsten und die freien
Städte Nord - Deutschlands hatten mit wenig Ausnahmen nicht
nur die von Preußen vorgelegten „Grundzüge" zu einerneuen
deutschen Verfassung gebilligt, sondern auch ihre Mitwirkung zur
Ausführung derselben durch ihre Hülfe während des Krieges be¬
wiesen. Nur mit ihnen war es möglich eine engere Verbindung
einzugehen, die den Namen des „norddeutschen Bundes"
erhielt; die süddeutschen Staaten, welche noch so eben im Felde