X. Griechenland.
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4. Serbien (Moesia superior), jetzt eins von den Schutzfürsten-
thümern (türk. Leni Wilajeti), im N. von der Save und der Donau, im
W. von Bosnien, im S. von AlbanieiOund Macedonien, im O. von Bul¬
garien und der Walachei begrenzt, von der Großen Morava mitten durch¬
strömt; ein Land, welches Bulgarien gleicht, ebenso bergig und waldig,
ebenso vernachlässigt, nur noch rauher und wilder ist. Der Ackerbau ist
unbedeutend, aber guter Wein wird in Menge gewonnen. Die Biehzucht
dagegen ist sehr beträchtlich und macht beinahe den einzigen Gegenstand des
geringen Handels mit Oesterreich aus; die herrlichen Flüsse werden zum
Handel nickst benutzt; nur österreichische Schiffe befahren die Donau. Die
Wälder sind reich an Wild, worunter auch Bären, Wölfe und Luchse.
Dennoch ist das Land ziemlich bevölkert und soll auf 998 Meilen
1,120,000 Einw. zählen. Die Serbier oder Serben, auch Raizen
genannt, gehören zu den edelsten slavischen Stämmen. Sie sind ein schönes,
kräftiges, tapferes Volk, welchem selbst mehrere Jahrhunderte der Knecht¬
schaft die ursprüngliche Energie nicht haben rauben können. Ihre Geschichte
ist zum Theil in reizenden Volksdichtungen aufbewahrt, welche wenigstens
ein treues Bild ihrer Sitten und ihres Geistes zeigen. Unter den schwachen
byzantinischen Kaisern gelangten die Serbier nach und nach zu völliger Unab¬
hängigkeit und erhoben sich unter eigenen Fürsten zu einer Macht, welche
im 14. Jahrh, die herrschende in jenem Theile Europas zu werden schien,
wenn sie sich nicht an dem Fanatismus und der Uebermacht der Türken
gebrochen hätte. Unter Stephan Duschem, von 1336 an, beherrschten die
Serben Bosnien und bedeutende Theile von Jllyrien und Macedonien.
Allein unter seinen schwachen Nachfolgern entstand Zwietracht, und die
Schlacht aus dem Amselselde, unweit Kossova an der makedonischen Grenze
(1389), vernichtete unwiederbringlich die Macht der Serbier. Der gefangene
Fürst Lazar ward im Zelte des Siegers Murad enthauptet, aber dieser selbst
von einem gefangenen Serbier getödtet. Seitdem wurde das Land eine
türkische Provinz. Die harten Bedrückungen, welche die Einwohner zu er¬
dulden hatten, führten 1801 einen Aufstand herbei, in welchem ein kühner
Mann von geringem Stande, Czerny Georg (geb. 1770), den Grund zur
jetzigen fast gänzlichen Unabhängigkeit seines Vaterlandes legte. Dieser soll
eigentlich Georg Petrowitsch geheißen und den Namen Czerny (der Schwarze)
seiner Grausamkeit und seiner Verbrechen wegen erhalten haben; er soll
nämtich eine Räuberbande angeführt und seinen Vater, der ihn hat verrathen
wollen, ermordet haben. Gewiß ist nur, daß er eine Zeit lang als Ge¬
meiner bei den Oesterreichern gedient, dann die Unruhen in Serbien benutzt
und sich durch Tapferkeit und Talente emporgeschwungen hat. Mit Hülfe
Rußlands, welches ihm den Titel Generallieutenant und die Fürstenwürde
beilegte, hoffte er sein Vaterland unabhängig zu machen. Der Friede vom
Jahre 1812 vernichtete seine Hoffnungen; er mußte nach Rußland fliehen,
kehrte 1817 heimlich nach Serbien zurück, ward aber verrathen und er¬
mordet. Indeß hatte sich der bisherige Beherrscher des Landes, der Fürst
Milosch erhoben, und sowohl durch seine Tapferkeit als durch geschickte Un¬
terhandlungen gelang es ihm, 1815 die erbliche Fürstenwürde zu erlangen.
Im russischen Kriege von 1828—29 blieben die Serbier theilnahmlos, und es
wurden ihnen im Frieden voll Adrianopel sehr günstige Bedingungen gestellt.
Blanc's Handbuch II. 8te Aufl.
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