VI. Die skandinavischen Reiche.
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1865/66, hat die gegenwärtige Negierung sich hohe Berdienfte um die Ent-
wicklung des Landes erworben. —
Die dänische Geschichte bietet seit der Reformation wenig Merkwürdi¬
ges dar. Die unwürdige Abhängigkeit, worin der Adel lange Zeit die
Könige gehalten, und die daraus folgende Ohnmacht des Staates, welche
den Verlust mehrerer Provinzen, namentlich auch der ältesten (Schonen,
Halland und Blekingen) an Schweden zur Folge hatte, veranlaßten endlich
1660 die bürgerlichen und geistlichen Stände, die bisherige Verfassung
umzustürzen und dem König eine so gänzlich unumschränkte Macht zu be¬
willigen, wie sie kein anderer europäischer Fürst rechtlich besitzt. Auch seit¬
dem hat Dänemark nur eine untergeordnete Rolle gespielt, obwohl es im
16. und 17. Jahrh, in häufige Kriege mit Schweden verwickelt war und
in der langen Friedensperiode (bis gegen das Ende des 18. Jahrh.) nach
Beendigung des nordischen Krieges, namentlich unter Friedrich V. und
Christian VII., viele freisinnige und wohlthätige Reformen von Seiten der
Minister Bernstorsf und Struensee in der letzten Hälfte des 18. Jahrh, zu
Stande kamen, welche unter Andern die völlige Aufhebung der Leibeigen¬
schaft 1788 zur Folge hatten. In der neuesten Zeit ward es unter Fried¬
rich VI. namentlich in eine gefährliche Lage zwischen England und Frank¬
reich gebracht, welche große Verluste herbeiführte. Am 2. April 1801
litten die Dänen viel durch einen wiewohl heldenmüthig bestandenen Angriff
der mächtigen englischen Flotte unter Nelson lind Parker, und 1807 erober¬
ten die Engländer nach einer viertägigen Beschießung Kopenhagen und ent¬
führten die ganze dänische Kriegsflotte. Die schmähliche Zuuiuthnng, das
Eene, über 400 Jahre mit Dänemark vereinigt gelvesene Norwegen an
Schweden abzutreten als Ersatz für das letzterem von Rußland geraubte
Finnland, trieb den König Friedrich VI. 1813 zur engeren Allianz mit
Napoleon. Nach der Schlacht bei Leipzig drangen die siegenden alliirten
Truppen bis Jütland vor, und Dänemark sah sich genöthigt, Norwegen
1814 an Schweden abzutreten, wobei es nur Lauenbnrg gegen das ihm
überlassene Schwedisch-Pommern eintauschte. Dänemark war berufen, noch
größere Opfer zu bringen. Ein heftiger Kampf über das Verhältniß der
Herzogthiimer Schleswig-Holstein und Lauenbnrg entbrannte, als der dä¬
nische König Christian VIII. (von 1839 bis 1848) den Offenen Brief
am 8. Juli 1846 erließ, in welchem er erklärte, daß die inännliche Erb¬
folge in Schleswig-Holstein und Lauenbnrg nicht gelten sollte, wie das be¬
stehende Erbfolgegesetz der Herzogthiimer bestimmte, sondern die weibliche,
wie in Dänemark. Dieser Kampf wurde ferner genährt durch die von
seinem 'Nachfolger Friedrich VII. am 28. Januar 1848 veröffentlichte Ver¬
fassung für den Gesammtstaat Dänemark. Durch die in dieser Verfassung
gewährten oder verheißenen liberalen Concessionen wünschte man die Anti
pathien der deutschen Bevölkerung gegen die Dänen zu beseitigen. Mau
täuschte sich, indem man Andere täuschen wollte, der Haß zwischen den best
den Nationalitäten wurde nur noch gesteigert. Dieser innere Kampf führte
schließlich zu den, (S. 7) berührten Kriege zwischen Preußen und Däne¬
mark.
Die Literatur der skandinavischen Völker ist bei Weitem nicht so
reich, als die ihrer südlichen Nachbarn; doch aber zählen Dänemark wie