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Auch der Hauszins ist noch nieht ganz bezahlt. Ich
werde wohl selbst wohlthätige Mensehen um Almosen
anflehen müssen.“
Sie sann indes nach, was sie etwa Gutes thun
könnte. Da fiel ihr ein, dass eine Jugendfreundin von
ihr, die am andern Ende der Stadt wohnte und arm
und alt war, krank liege. „Diese will ich hente be-
suchen,“ sagte sie; „spinnen kann ieh ja dort auch,
und rielleicht kann ich ihr doch eins oder das andere
tröstliche Wort sagen.“
Sie nahm das einzige Paar Aptkel, die sie unlängst
geschenkt bekommen hatte, vom Kasten, um sie ihrer
Freundin zu bringen, und machte sich mit ihrem
Spinnrade auf den Weg.
Die Kranke batte, als sie ihre alte Freundin er-
blickte, eine grosse Freude. „Denke nur, Kunigunde,“
sagte sie, „ich habe kürzlich einige hundert Gulden
geerht. Möchtest da nieht zu mir ziehen und meine
Krankenwärterin werden? Du würdest doeh Holzgeld
und Hanszins ersparen, und dein Spinnen und meine
kleine Erbschaft würden wobl hinreichen, uns beide
zu ernähren.“ Kunigunde nahm den Antrag voll
Freude an, zog sogleich zu ihr und konnte nun nach
langer Zeit das erste Mal wieder ruhig und sorgenfrei
schlafen. Sie wiederholte das Spriichlein, das ihr so
wohlgefallen batte, sehr oft:
Ihr Lieben, nur alltäglich
Ein gutes Werk rollbracht;
Das macht den Tag erträglich
Und eine gute Nacht.
18. Mas Wunderküstehen.
Eine Hausfrau hatte in ihrer Haushaltung allerlei
Unglücksfälle. und ihr Vermögen nahm jährlieh ab.