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Traurigerer Zustand Roms.
licien. Zu Selinus (Trajanopel) machte der Tod seinem tha-
tenreichen Leben ein Ende (117 n. Chr.). Er wurde 64 Jahre
alt. Die Römer empfingen seine Asche mit eben der Auszeich¬
nung, als zöge der angebetete Held noch lebend in ihre Thore
ein, und setzten sie dann unter seiner Ehrensäule bei.
Rechnen wir seine Eroberungssucht ab, welche übrigens
dem kriegerischen Geiste der Römer entsprach, so war er ein Mu¬
ster von Regententugenden. Jedem der nachfolgenden Kaiser
riefen die Senatoren bei seiner Thronbesteigung zu: „Sey glück¬
licher als Augustus und besser als Trajan!"
Traurigerer Julian- Noms.
Auf Trajanus folgten nur wenige gute Kaiser, desto mehr
üppige, leichtsinnige oder grausame Gewalthaber, welche von den
Soldaten erhoben und schnell wieder gestürzt wurden. Daher
bietet das zweite und dritte Jahrhundert der römischen Geschichte
wenig Anziehendes und für das zarte Jugendaltcr Lehrreiches
dar. Später mögt ihr lesen, wie Schwelgerei am Hofe, Schlech¬
tigkeit in der Verwaltung, Zuchtlosigkeit und Plünderungssucht
des Heeres das ungeheure Reich dem Verfalle entgegenführten.
Rom, der Mittelpunkt eines Reiches, welches gegen Mitternacht
bis Schottland, über den Rhein und die Donau hinaus, gegen
Mittag bis zum Atlas und den Quellen des Nils, in der Rich¬
tung von Westen nach Osten aber vom atlantischen Meere bis
zum Euphrat reichte, war damals der Sitz der äußersten Ver¬
worfenheit. Die Bevölkerung Roms betrug gegen 3 Millionen
Menschen, meist Sklaven und bürgerliche Taugenichtse, welche
sich von jedem, der sie bezahlte, zu Schandthaten, zu Aufruhr
und Mord gebrauchen ließen. Ein Kaiser, welcher sie nicht durch
häufige Austheilung von Lebensmitteln und die blutigen Schau¬
spiele der Thierkämpfe und Fechterspiele für sich gewann, schwebte
in beständiger Gefahr, Thron und Leben zu verlieren. Der freie
Bürger kannte im Frieden keine ordentliche Beschäftigung; denn