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Die Hunnen und ihr König Attila.
der Hauptstadt Constantinopel, damit die Grenzen besser ver¬
theidigt werden könnten. Doch vergebens stemmte sich das ge¬
alterte Römerreich gegen den Andrang barbarischer Horden; ein
Land nach dem andern wurde ihnen zur Beute; durch Vermi¬
schung bildeten sich neue Völker und Sprachen, und fast ganz
Europa erhielt eine andere Gestalt.
Die Hunnen ließen sich indeß in den weiten Ebenen Un-
garns und den ausgedehnten Steppen Südrußlands bis Dcr-
bend am kaspifchen Meere nieder, und machten häufige Einfälle
ins römische Reich. Der Handarbeit und dem ruhigen Zusam¬
menleben in Dörfern und Städten abgeneigt, kannten sie keine
andere Beschäftigung als Viehzucht, Jagd und Krieg. Verließen
sie einen Wohnplatz, so waren die leichten Zelte schnell abgebro¬
chen; Frau und Kinder führten sie auf Karren nach. Was uns
die Alten von ihrer Gesichts- und Körperbildung melden, stimmt
ganz mit der Beschreibung der heutigen Mongolen überein. Ihr
kurzer, gedrungener, breitschulteriger Körper ruhte auf einwärts
gekrümmten Beinen und trug auf dickem, fleischigem Halse einer:
häßlichen Kopf mit schwarzen Haaren, niedriger Stirn, kleinen,
tiefliegenden, schräg auseinander stehenden Augen, geplätschter
Nase und hervorspringenden Backenknochen. Den Knaben ritzte
man die Wangen auf, um durch die Narben den Bartwuchs zr:
unterdrücken. Ihre Bedürfnisse waren äußerst gering. Wurzeln,
Kräilter, Milch und Fleisch, das sie beinahe roh aßen, genügten
ihnen zur Kost. Ueber ihre schwarzen leinenen Kittel trugen sie
bei heftigem Frost einen Mantel von Marderfellen; die Beine
bekleideten sie mit Bocksfellen, den Fuß mit Stiefeln von Pelz,
dessen rohe Seite auswärts gekehrt war; das Haupt schützte eine
überhangende Mütze. Unbeholfen und schwerfällig zu Fuß, war >
der Hunne von seinem kleinen, häßlichen, aber schnellfüßigen und
ausdauernden Rosse beinahe unzertrennlich. Zn Rosse verfolgte
er das Wild, zu Rosse stürzte er sich auf den Feind, zu Rosse be¬
suchte er die Volksversammlung, zu Rosse geleitete er gefallene
Waffengefährten zu ihrer letzten Ruhestätte, zu Rosse überließ er
sich oft, die Arme mn den Hals des treuen Thieres schlingend,