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Ereignisse der letztem Zeit.
Selbstständigkeit ihres Reiches bedrohte. Namentlich England und
Frankreich betheiligten sich zu Gunsten der Pforte an diesem
Kriege, und so geschah es, daß die Alliirten Odessa bombardirten,
die russische Flotte im Hafen von Sebastopol einschlössen und
letzteres belagerten und in den Grund schossen (1855). Hierauf
mußte sich Rußland zum Frieden verstehen, in dem unter andern
festgestellt wurde, daß die Türkei fortan in das System des euro¬
päischen Völkerrechts aufgenommen sei. — Nachdem durch den
orientalischen Krieg die bisherigen Allianzen Europa's aufgelöst
waren und Rußland eine harte Demüthigung erfahren hatte, lag
es Napoleon daran, eine solche Demüthigung auch Oesterreich
zuzufügen. Die Veranlassung hierzu bot Italien, woselbst Sar¬
dinien schon längere Zeit bestrebt war, seine Macht weiter aus¬
zudehnen. Eifrig unterstützte Napoleon dies Bestreben, und so
kam es zwischen Oesterreich und Sardinien zu einem Kriege wegen
der dem ersteren gehörigen Lombardei. Mit Hülse Frankreichs
wurden die Oesterreicher bei Solferino (1858) besiegt, und so
mußten sie die Lombardei zu Gunsten Sardiniens räumen. Von
jetzt ab dehnte letzteres seine Macht immer weiter über Italien
aus, und es hat dieselbe bis auf Ron: inne, welches jedoch von
Napoleon für weitere politische Zwecke dem Papste noch erhalten
wird.
Diese wenigen Andeutungen, welche mit Uebergehung des uns
entfernter liegenden in allgemeinen Zügen die wichtigsten Vor¬
gänge der neuern Zeit berühren, mögen genügen, um hieraus zu
erkennen, wie viel den verschiedenen europäischen Staaten noch zu
dem Abschluß fehlt, der den allgemeinen Frieden bedingt, wie wir
ihn wünschen. Nicht können wir uns aber der Ueberzeugung ver¬
schließen, daß Alles in der Welt nur unter Zulassung Dessen ge¬
schieht, der unsere Haare auf dem Haupte gezählt hat und ohne
dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt. Mögen wir uns
daher nur stets seiner allgüligen Obhut würdig zeigen, und er
wird sie uns dann gewiß zum Heile unseres leiblichen und geistigen
Lebens in Gnaden reichlich zu Theil werden lasten.