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Sorge und sein Stolz; sie strebte er an und übte er von Jugend auf
im Kampf mit den wilden Thieren. Jagd und Krieg war seine Lieb¬
lingsbeschäftigung, und allgemeine Verachtung traf den Feigen. „Sic
haben nur eine Art Schauspiele, bei allen Zusammenkünften dieselbe.
Nackte Jünglinge, für welche dies ein Spiel, werfen sich tanzend zwischen
Schwertern und drohenden Pfrieinen umher, nicht um Gewinn oder
Lohn, sondern zum Vergnügen der Zuschauer." Von Kindheit an
härtete der Deutsche seinen Körper ab und befähigte ihn zu den schwersten
Strapatzen. Selbst im Winter badete er im freien Strome; er ertrug
leichter Kälte als Hitze. Seine Kleidung bestand vornehmlich aus den
Fellen des Wildes, das er erlegt hatte; nur die Frauen trugen Kleider
von Flachs, den sie vom Urstoffe an selbst bearbeiteten. Wie er
äußerlich schlicht erschien, so war sein Charakter aufrichtig, treu und
bieder, und ein Handschlag galt gleich einem Eide: ein Wort —
ein Mann.
§. 3. Des Deutschen Lebensweise und Sitte.
Seine Wohnung war kunstlos, leicht und schnell aufgebaut. Es
gab Dörfer und Flecken, aber keine Städte d. h. mit Mauern und
Gräben umschlossene Ortschaften, die ihm wie Gefängnisse vorkamen.
Drinnen herrschte Zucht und Ordnung. Die Ehe war keusch und heilig.
Die Frau (d. i. Herrin), der die Geschäfte des Feldes und Hauses
oblagen, stand in hoher Achtung, wie bei keinem Volke des Alterthums.
Der freie Mann kannte außer Jagd, Thing- oder Gemeindeversamm¬
lung und Krieg kauin eine Beschäftigung (Bärenhäuter). Die Nah¬
rung lieferte vornehmlich der Wald und die Heerde. Bier war das
Lieblingsgetränk, auch Meth, und sich berauschen galt für keine Schanve.
Gastfreiheit galt für eine heilige Pflicht, die um so mehr geübt wurde,
als es dem Deutschen schmerzlich dünkte, fern von der lieben Heimath
weilen zu müssen) so daß ihm Ausland und Elend gleichbedeutend
war. Eins der fröhlichsten Familienfeste war der Tag, wo der Jüng¬
ling wehrhaft erklärt und unter die Männer aufgenommen wurde; das
geschah in öffentlicher Volksversammlung von dem Vorsteher der Ge¬
meinde. Barden, Skalden besangen bei ihren Festmahlen die Tha¬
ten der Götter und Helden.
§. 4. Gemeindeleben.
Die deutsche Nation bestand aus unzähligen Völkerschaften, die mehr
oder weniger unabhängig von einander lebten, jede Völkerschaft aus
Gauen und Gemeinden. Die Gemeinde wählte sich ihre Vorsteher
(Schöffen, Schulzen), welche an bestimmten Tagen, am Dingstage,
unter freiem Himmel an der Malstätte, die ein mächtiger Baum be¬
zeichnete, zu Gericht saßen und ihre Thinge hielten. Da hatte jeder
freie Mann das Recht, zu reden. Die freien Leute waren entweder
Adelin^e oder Freilinge, die großen und kleinen Grundeigenthümer.
Sie, die allein das Recht hatten, Waffen zu tragen, erschienen bewaff¬
net auf jedem Volkstage. Alles Oeffentliche wurde an der Malstätte