KWWJö 69
38. In Nacht und Schnee an die Russen heran.
(Aus der Winterschlacht in Masuren.)
D Russen schossen alle viel zu hoch; die bleiernen Grüße gingen hoch
über unsere Köpfe weg. Bis zu einer kleinen Bodenschwelle vor
unserer Stellung gingen wir vor. Da legten wir uns hin und warteten.
Wir warteten, warteten, im Schnee auf dem Bauche liegend, über eine
Stunde. Dann hieß es, wir sollten einen kleinen Sprung vorwärts tun
und dann vorläufig in Reserve liegen bleiben.
„Einzeln über die Höhe vorspringen!““ ging es leise von Mund zu
Mund. Ich hatte längst genug von dieser langweiligen Liegerei und
sprang gleich vor über die Höhe hinüber. Hui, was sausten die Geschosse!
Aber für mich war keins bestimmt. Ich suchte mir einen schneefreien
Fleck und legte mich dahin, der Dinge wartend, die da kommen sollten.
Allmählich kamen denn auch meine Kameraden, einer nach dem andern,
legten sich in Abständen von zwei bis drei Schritt nebeneinander hin und
— warteten.
Die Russen schossen wie wahnsinnig. Wir hörten deutlich den
dumpfen Knall ihrer Gewehre von jenseits herübertönen und einen
Augenblick später — füit, füüt — sangen die Geschosse über uns hinweg.
Mittlerweile war es ganz dunkel geworden.
Ich mußte halb eingeschlafen sein. Plötzlich schreckte ich auf und sah,
wie meine Kameraden sich erhoben. Gedämpft tönte der Befehl an
mein Ohr, daß wir uns in die vorn liegende Schützenlinie einschieben
sollten. Wir erhoben uns, liefen vorwärts, erreichten die Linie und
machten es uns da „bequem“. Wir mußten dort die ganze Nacht liegen
bleiben. Also Zeltbahn abgeschnallt und als Windschutz auf den Körper
gelegt! Den Mantel hatten wir schon seit acht Tagen nicht ausgezogen!
Der Tornister diente als Kopfkissen. So lagen wir da, Stunde um
Stunde, trotz alledem frierend. Die Füße fühlten wir in den nassen und
dann steifgefrorenen Stiefeln schon lange nicht mehr. Ich dachte daran,
wie sonderbar es doch ist, daß in der offenen Stellung, in der wir lagen,
noch niemand verletzt war. Oft war ich aufgestanden, weil mir das
Liegen unmöglich wurde, hatte mein hartes Lager zurechtgemacht und
dabei ein ziemlich großes Ziel geboten. Vorbeigepfiffen sind die Kugeln
dutzendweise an meinen Ohren, getroffen hat keine. Der furchtbarste
Feind war nicht der Russe, sondern die bittere Kälte.
Da huscht auf einmal aufgeregt eine Gestalt an mir vorbei zu dem
Unteroffizier, der vier Schritte von mir entfernt lag.