Full text: Die Weltgeschichte für den Schulgebrauch

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schien, ließ er hinrichten und gab dem Macro den Oberbefehl 
über die Garden. Wahrscheinlich ließ ihn dieser, da Tiberius 
bei Misenum von einer tiefen Ohnmacht überrascht wurde, 
ersticken. — Eine Einrichtung, welche unter seiner Regierung 
getroffen wurde, war von entscheidendem Einflüsse auf das 
Schicksal Rom's und seiner Kaiser. Augustus ließ sich näm¬ 
lich nur 3 Cohorten Prätorianer in Rom aufhalten, 'die 
Mehrzahl der Garben war in anderen italienischen Städten 
vertheilt. Auf Sejan's Rath wurden aber von Tiberius alle 
Prätorianer in der Nahe der Hauptstadt vereinigt und vor 
den Thoren Rom's in einem festen Lager untergebracht. 
Hierdurch erlangten die Garden und ihre Befehlshaber eine 
Gewalt, welche den Kaisern bald zur Stütze ihrer schlimmen 
Regierung diente, bald aber auch zu ihrem Verderben ge¬ 
reichte. — Casus Cäsar , von Tiberius avoptirt, war ein 
Sohn des edlen Germanicus. In Gallien geboren und unter 
dem Heere aufgewachsen, hatte er von den Soldaten wegen 
der als Kind von ihm getragenen kleinen Soldatenstiesel 
(caligae) den Beinamen Caligula erhalten. Anfangs 
schien er zu schönen Hoffnungen zu berechtigen, aber nach 
achtmonatlicher Regierung wurde er von einer gefährlichen 
Krankheit befallen, die auf seinen Verstand zerstörend einge¬ 
wirkt haben mag, und überließ sich nach seiner Genesung der 
unsinnigsten Verschwendung und entsetzlichsten Grausamkeit. 
In einem einzigen Jahre vergeudete er den von dem spar¬ 
samen Tiberius aufgehäuften Staatsschatz von mehr als 200 
Mill. Gulden; auch erzählt man von ihm, daß er einst den 
Wunsch aussprach, das römische Volk möchte nur einen Hals 
haben, um es leichter hinrichten zu können. Sich selbst ließ 
er Tempel bauen und Priester anstellen, die ihm göttliche Ehre 
erweisen mußten. Wer ein großes Vermögen besaß, war vor 
ihm nicht sicher; aus Habsucht ließ er Unschuldige ermorden, 
um ihre Güter in Besitz zu nehmen, und war schamlos genug, 
dieß selbst einzugestehen. Nicht weit vnn siinem Palaste wurde 
er ermordet und sein bejahrter schwachsinniger Oheim Clau¬ 
dius von den Garden aus den Thron erhoben. Er überließ 
seinen Frauen, der Messalina und, nack deren Hinrichtung, der 
Agrippina die Regierung. Beide gehören zu den ruchlosesten 
Frauen, die je gelebt haben. Wer ihnen im Wege stand, oder 
wer in dieser Zeit der allgemeinen Sittenverderbniß seine 
Tugend und Seelengröße zu bewahren strebte, dessen Stunden 
waren gezählt. Agrippina ließ ihren Sohn aus erster Ehe, 
den Domitius Nero, vom Kaiser adoptiren, und als dieser
	        
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