Von der Reformation dis zum westfälischen Frieden.
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§. 4. Deutschland nach dem Augsburger Religiousfrieden
1554-1618.
Ferdinand I. (1556—1564) war, obgleich Karl V. schon 1556
die Regierung des deulschcn Reichs niedergelegt hatte, erst 1558 auf
einer Versammlung der Kurfürsten zu Frankfurt feierlichst anerkannt
worden. Der Papst wollte ihn nicht anerkennen, da Karls Abdankung
ohne päpstliche Einwilligung keine Gültigkeit haben könne; allein Kaiser
Ferdinand verschmähte die Krönung in Rom, und keiner seiner Nach¬
folger trat seitdem mehr den Römerzug zur Krönung an. Ferdinand
war offen, leutselig und milde. Obgleich er für seine Person fest am
väterlichen Glauben hielt, so übersah er doch nicht die Nothwendigkeit,
dast es in der rönüschen Kirche besser werden müsse. Noch einmal
versuchte er eine Religionsvergleichung; allein vergeblich. Namentlich
drang er beim Papste auf die Aushebung des Cölibats, was ihm jedoch
rund abgeschlagen wurde, weil man die Ehelosigkeit der Geistlichen für
die Hauptstütze des Papstthums ansah. In seinen Erbstaaten, wo es
viele Protestanten gab, enthielt er sich gewaltsamer Schritte, um den
Religionsfrieden zu erhalten. In jüngeren Jahren war er so gegen
die Reformation eingenommen, daß er seiner Schwester Isabella drohte,
er erkenne sie wegen ihres Abfalles vom alten Glauben nicht mehr
als seine Schwester an (S. 51); ruhig erwiederte diese, wenn er sie
verläugne, werde sie sich an Gottes Wort halten. Er gab die Hoff¬
nung nicht auf, durch die von ihm angestrebte Bewilligung des Laien¬
kelches und der Priesterehe die Religionsspaltung zu mindern. Leider
starb Ferdinand zu früh. Sein Nachfolger Maximilian II. war ein
sehr begabter, milder und menschenfreundlicher Fürst, welcher der pro¬
testantischen Kirche so zugethan war, daß man von ihm den Uebertritt
erwartete. Außer dem Kaiser, den Herzögen von Baieru und Cleve,
waren die mächtigeren deutschen Fürsten protestantisch; auch in den
Domkapiteln saßen viele protestantisch Gesinnte. Wie übrigens Maxi¬
milian von den Ketzerverfvlgungen unter Katharina von Medicis und
Philipp II. dachte, zeigt seine Aeußerung, welche er 1575 that: „Ich
habe keine Macht über die Gewissen und darf Niemand zum Glauben
zwingen. Die tollen Leute sollten billig in so viel Jahren gesehen
haben, daß es mit dem tyrannischen Köpfen und Brennen sich nicht
will thun lassen. Wie gern hätte ich gewünscht, daß die edlen nieder¬
ländischen Provinzen nicht so jämmerlich wären verderbt worden.
Spanien und Frankreich machen es, wie sie wollen; sie werden es vor
Gott verantworten müssen. Ich will für meine Person ehrbar, christ-
Ferdiuand I.
1556—1564
und Maximi¬
lian II.
1564—1576.