Full text: Für Schüler von 13 bis 16 Jahren (Theil 3)

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war; daß das eine große Gefühl des Vaterlandes und feiner 
Freiheit und Ehre alle anderen Gefühle verschlang, alle anderen 
sonst erlaubten Rücksichten und löblichen Verhältnisse aufhob. Die 
Menschen fühlten es, sie waren gleich geworden durch das lange 
Unglück, sie wollten auch gleich sein im Dienste und im Gehor¬ 
sam. Und so sehr erhob die heilige Pflicht und das gemeinsame 
Streben, wovon sie beseelt waren, alle Herzen, daß das Niedrige, 
Gemeine und Wilde, dem in getümmelvollen Zeiten der Bewaff¬ 
nungen und Kriege eine so weite Bahn geöffnet ist, nicht auf¬ 
kommen konnte. Die heilige Begeisterung dieser unvergeßlichen Tage 
ist durch keine Ausschweifung und Wildheit entweiht worden; es 
war, als fühlte auch der Kleinste, daß er ein Spiegel der Sitt¬ 
lichkeit, Bescheidenheit und Rechtlichkeit sein müsse, wenn er den 
Übermuth, die Unzucht und Prahlerei besiegen wollte, die er an 
den Franzosen so sehr verabscheut hatte. Was die Männer so 
unmittelbar unter den Waffen und für die Waffen thaten, das 
that das zartere Geschlecht der Frauen durch stille Gebete, brün¬ 
stige Ermahnungen, fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und 
Mühen für die Ausziehenden, Kranken und Verwundeten. Wer 
kann die unzähligen Opfer und Gaben jener Zeit zählen, die zum 
Theil unter den rührendsten Umständen dargebracht worden sind? 
Wer kann die dem Vaterlande ewig theuren Namen der Frauen 
und Jungfrauen aufrechnen, welche in einzelnen Wohnungen oder 
in Krankenhäusern die Nackenden gekleidet, die Hungrigen gespeist, 
die Kranken gepflegt und die Verwundeten verbunden haben? So 
geschah cs von einem Ende des Reiches bis zum andern; doch ge¬ 
bührte Berlin der Vorrang; sie hat bewiesen, daß sie verdiente, 
der Sitz ihrer Herrscher zu sein. Freue dich deiner Ehren, wackere 
Stadt! die alten Sünden sind versühnt, die alten Unbille vergessen, 
Ruhm und Glück werden wieder ihren Wohnsitz bei dir aufschla¬ 
gen. Ich sage nur das Eine: es war plötzlich wie durch ein 
Wunder Gottes ein großes und würdiges Volk erstanden. — 
So hat das preußische Volk sich offenbart; so sind die Wun¬ 
der, die uns Deutschen vom Guadalquivir und Ebro, vom Dnieper 
und von der Düna verkündigt wurden, auch bei uns erneuet; so 
ist Gott und Gottes Kraft, und eine Begeisterung, die wir nicht 
begreifen können, auch unter uns erschienen. Die Preußen hatten 
Fehrbellin und Hochstädt, Turin und Malplaguct, sie hatten die 
Tage von Roßbach und Leuthen, die Schlachten von Torgau und
	        
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