Full text: Für Schüler von 13 bis 16 Jahren (Theil 3)

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genblick zu erwarten scheinen, wo sie sich krachend in den Fiord 
hineinstürzen sollen. Ängstlich blickte Fallmer nach dem Felsen. 
"Alte Leute versichern,« erzählte Thorstein, «daß diese Spalten 
größer werden.« Der Schwindel hatte den Obersten noch nicht ver¬ 
lassen; dieser Anblick, das Monströse der ganzen Gegend erfüllte 
ihn mit Grauen, und er konnte die Ruhe und Heiterkeit, mit wel¬ 
cher eine milde Natur und fröhliche Menschen eine so furchtbare, 
vernichtende Katastrophe erwarteten, nicht begreifen. 
«Die Gefahr ist nicht so nahe,« antwortete Thorstcin, als 
der Oberst feine Furcht äußerte; "es ist ein hartes, quarziges Ge¬ 
stein und hält noch Jahrtausende fest.« 
Aber für den Obersten schienen die Felsen alle beweglich zu wer¬ 
den, als drohten sic mit einem nahen Einsturz, wie wir, vom 
Schwindel ergriffen, auf einem hohen Thurme befürchten, daß die 
leichteste Berührung die schwebende Spitze herunterstürzen könnte. 
Die Felsen haben eine Höhe von 4— 5000 Fuß. 
Ingier lächelte; Fallmer, der ein kühner Mann war und 
keineswegs furchtsam, überwand den gewaltigen Eindruck, und sie 
stiegen immer höher in die Gebirge hinauf, bis die Bäume und 
dann die Gräser verschwanden, bis der ewige Winter sie umgab 
und das unermeßliche Schneefeld — Folgefonden —, in Nebel ein¬ 
gehüllt, vor ihnen lag. Gegen Süden dehnt sich dieses Schneefeld 
fünf Meilen weit aus. Die Luft war duftig, ruhig; das hinein- 
schneidcnde Meer sah man in unermeßlicher Tiefe zwischen den Fel¬ 
sen eingeklemmt, und über hohe, meist mit Schnee bedeckte Berge 
gegen Osten ragten die höheren Berge im Innern des Landes — 
Sodnouten, Haarteigen — weiß, glänzend hervor, obgleich weit 
entfernt, doch durch den blendenden Schnee in täuschende Nähe 
gerückt. 
Ein Rennthier eilte pfeilschnell über den Schnee, und verlor 
sich i-n der nahen Schlucht. Kaum wahrgenommen, war es wieder 
verschwunden. 
»Hier ist alles still,« sprach Thorstein, »nur in mächtiger, 
ruhender Masse tritt die Natur hervor, kalt, einförmig, stumm 
und dennoch seltsam drohend. Wie klein erscheint, von diesen Mas¬ 
sen umgeben, das grünende Leben im Thale dort unten! Wie schei¬ 
nen die Menschm einer übermächtigen, erstarrten Natur preisgege¬ 
ben! So sehe ich das Kind in der Wiege, von seiner drohenden 
Zukunft, von dm mächtigen Massen seiner Zeit umringt, ruhig
	        
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