Full text: Für Schüler von 13 bis 16 Jahren (Theil 3)

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seine Natur auf die Probe zu stellen, hungerte er einst sechs Tage 
und Nächte, machte am siebenten Tage einen Spazierritt von 16 
Meilen hin imb zurück, und stärkte sich Hieralls durch eine starke 
Mahlzeit. Wein trank er vermöge eines Gelübdes nicht; er hatte 
sich in den ersten Jahren seiner Regierung in Gesellschaft des Her¬ 
zoges von Holstein berauscht, und war von diesem iiberrcdet wor¬ 
den, aln hellen Tage nackt anszureiten. Trunkenbolde waren ihm 
seitdem immer ein Gräuel. Bier oder Wasser, zuletzt aus eisernen 
Bechern, war sein Getränk. Um neun Uhr Abends ging er zu 
Bette, um zwei war er schon wieder munter, und in den frühesten 
Morgenstunden konnte man am bequemsten vor ihn kommen. Durch 
sein Beispiel wollte er seine Soldaten zur Ertragung der Beschwer- 
dell ermuntern; es schien ihn zu beruhigen, daß er so gut wie sie 
fror, hungerte, sich im schlechtesten Wetter bei Nacht und bei Tage 
umhertrieb, ohne zu ermüden. Auch niemand hielt cs mit ihm 
aus, und es war ihm eine heimliche Freude, daß alle hinter ihm 
zurückbleiben mußten. 
Seine ewigen Feldzüge zogen ihn ganz von allem Umgänge mit 
Frauen ab; er scheint, seine Ungclenkigkeit in ihrer Gesellschaft ge¬ 
fühlt zu haben; er suchte, sie daher auf alle Art zu vermeiden; es 
war ihm eine Marter, mit ihnen zu sprechen. Seiner Brust wa¬ 
ren die menschlichen Empfindungen der Liebe und Zuneigung, ohne 
welche der Held zum Barbaren wird, nicht fremd; zärtlich liebte 
er seine Schwester Hedwig; er führte einen wirklich galanten 
Briefwechsel mit ihr, war auf jeden ihrer Wünsche ausmerksain, 
und nach dem Tode ihres Gemahls nahm er sich ihrer auf das 
kräftigste an; ihr Tod schien einen tieferen Eindrllck auf ihn zu 
machen, als der Verlust der Schlacht bei Pultawa. Sogar seinen 
Hund Panpe, der ihn auf allen seinen Zügen begleitete, und stets 
in seinem Bette schlief, liebte er, und äußerte sich höchst gerührt 
in einem Briefe an seine Schwester über den plötzlichen Tod des 
treuen Thieres. Vom Spielen war er kein Freund; doch ließ er, 
als er zu Thorn den Winter zubrachte, die Comödianten aus 
Stockholm dahin kommen, die alle Abende Schauspiele aufführten, 
und in der Türkei spielte er auch bisweilen Schach, verwandelte 
aber die Königin in einen Feldmarschall, und setzte allemal den 
König zuerst in Bewegung. Mit den Leuten, die ihn umgaben, 
stand er auf einem zutraulichen Fuße; er hatte es gern, wenn sic 
ihn mit lustigen Einfällen, Schwänken, selbst Plattheiten erheiter-
	        
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