fullscreen: Handbuch der Geographie ([Ausg. C])

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Geschichte der Geographie. 
Die Berührung mit so zahlreichen Wissensgebieten, mit deren rasch wechselnden Ergebnissen, An¬ 
schauungen und Methoden die Geographie rechnen muß, kann sie in die Gefahr bringen, zu einer Aller¬ 
weltswissenschaft zu werden und zu verflachen, oder aber von jenen ganz abhängig zu werden und sich 
in sie zu verlieren. Was ihr die Selbständigkeit erhält, ist die strenge Beschränkung auf ihre oben ange¬ 
gebenen Gebiete, welche wiederum die anderen nur berühren können, und die Ausbildung ihrer eigenen 
Methode. Diese hat sich nach den beiden oben angegebenen Grundsätzen, dem räumlichen und dem 
ursächlichen Z entwickelt, gewiß — wie das schon so sein muß — nicht ohne Abweisungen und starken Wider¬ 
spruchs. Wenn die Geographie zur allein beschreibenden wird, hat sie als Wissenschaft keine Daseins¬ 
berechtigung mehr, und darum ist die seit langem angenommene Teilung ihrer umfangreichen Tätigkeit 
in zwei Zweige berechtigt: 
a) Die Allgemeine Erdkunde. Sie erforscht die Entstehungsgründe für die jetzige Gestalt der Erd¬ 
oberfläche und sucht die allgemeinen Gesetze für das Warum ihrer Erscheinungsformen. Ihr wird 
die mathematische (oder astronomische) Geographie, soweit sie auf diese Formen Einfluß hat, 
angegliedert. 
b) Die Länderkunde beschreibt den Ort, das Wo dieser Erscheinungen, also die einzelnen Länder, 
und untersucht, in welcher Weise die aus den allgemeinen Beobachtungen und Gesetzen sich ergebenden 
Wirkungen in diesen Einzelabschnitten zur Geltung und eigenartigen Erscheinung kommen. Die poli¬ 
tische Geographie, ein Zweig der „Anthropogeographie", beschreibt die bestehenden Wohnsitze und 
Staaten der Menschen. 
Von den literarischen Erscheinungen der neueren Zeit sind die, welche vermutlich für den Leserkreis 
dieses Buches am meisten Bedeutung besitzen, im Literatur-Verzeichnis S. IX—XII genannt. Im ein¬ 
zelnen können sie hier nicht besprochen werden. Gedacht aber muß werden des „Soldatenwerkes im Frie¬ 
den", der von den Topographischen Abteilungen der deutschen Generalstäbe in 32 jähriger Arbeit herge¬ 
stellten und 1910 erschienenen Karte des Deutschen Reiches in 1:100 000i 3. Sie erfüllt das Sehnen 
der wissenschaftlichen Kreise, nach der politischen Einigung nun auch ein einheitlich geregeltes Kartenwerk 
zu erhalten, und dankbar muß der Wanderer einen solchen Führer begrüßen. 
Im letzten Jahrzehnt hat der Tod in die Reihen der bedeutenden Geographen, die wesentlich dazu 
beigetragen haben, die Wissenschaft auf ihren jetzigen Stand zu heben, schmerzliche Lücken gerissen. Es 
sind aus der Zahl der Lebenden geschieden: E. H. Berger (1836—1904), Vertreter der historischen Geo¬ 
graphie, Verfasser der „Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde bei den Griechen". Friedrich Ratzel 
(1844—1904), der bei seiner allumfassenden Tätigkeit der Bedeutung des Menschen in der Erdkunde wieder 
zu ihrem Rechte verholfen und dem Begriff „Anthropogeographie" Inhalt gegeben hat. Der Vulkan¬ 
forscher A. Stübel (1835—1904). Eduard Richter (1847—1905), der Vertreter der Morphologie, hat 
die Ostalpen wissenschaftlich erschlossen, den erdkundlichen Unterricht in Österreich belebt. Adolf Bastian 
(1826—1905), der größte Ethnolog in unserem Vaterlande. Elise'e Reclus, der belgische Universal¬ 
geograph, f 1905. Sein Lebenswerk ist Da Géographie Universelle in 19 Bänden. Ferdinand Frei¬ 
herr von Richthofen (1833—1905), Erforscher Chinas und Gründer des Instituts für Meereskunde 
in Berlin. K. Futterer, Erforscher Jnnerchinas (1866—1906). Alfred Kirchhofs, 1 1907, der be¬ 
redte Förderer der Erdkunde für Schule und Universität, der am meisten von allen darin geleistet hat, 
sie volkstümlich zu machen. 1910 starben der Amerikaner Agassiz, der sich besonders um die Erforschung 
der Korallen und ihrer Verbreitung über die Meere Verdienste erworben hat, und Theobald Fischer, 
der Kenner und gewinnende Schilderer der Mittelmeerländer, 1911 W. Götz, Förderer der historischen 
und der Wirtschaftsgeographie, 1912 O. Krümmel, der für die wissenschaftliche Meereskunde Bedeu¬ 
tendes geleistet hat, 1913 Pechuël-Loesche, unter den deutschen Geographen der, welcher unseren 
Planeten aus eigener Anschauung am besten kennen gelernt hatte, und neunzigjährig der berühmte 
Tiergeograph und Forschungsreisende A. R. Wallace suä'ßj. 
i Als dritter mag noch nach Martonne «Geographischer Anzeiger 1910, S. 132) das Prinzip der Koordination 
angefügt werden, wenn man es nicht dem ersten unterordnen will. Es wird dahin formuliert, „daß die geographische 
Untersuchung die dauernde Beschäftigung mit ähnlichen Erscheinungen voraussetzt, die in anderen Teilen der Erde auf- 
treten". 
^ Banse lPetermanns Mitt. 1912, Januar-, Februar-, Märzheft) will allein das räumliche Prinzip gelten lassen 
und verwirft die ganze Allgemeine Erdkunde. 
a S. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1910, S. 551 ff. und S. 607 ff. — Die Umdruckblätter können 
von den für die einzelnen Gebiete bekanntgegebenen Vertriebsstellen, wo auch die Ubersichtsblätter zu haben sind, für 
je 0,50 Ji, von Behörden, Schulen, Wandervereinen usw. auf besonderen Antrag an die König!. Preußische Landesauf¬ 
nahme lFormular von den Vertriebsstellen) zu je 0,30 M erworben werden.
	        
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