Full text: Grundriß der Weltgeschichte für Gymnasien und Realschulen

Die Theilimgen Polens. 195 
Gewicht. Ihren Einfluß mußte besonders der Orden der Jesuiten empfin- 
den, der, als der Hauptfeind der Aufklärung, durch die Verkehrtheit seiner 
Lehren Angriffspunkte genug darbot, und 1773 auf das Andringen aller 
katholischen Staaten, nachdem er schon vorher aus den meisten vertrieben 
worden war, durch den Papst Clemens XIV. (Ganganelli) aufgehoben wurde. 
Fast in allen Ländern wurden nach den neu aufkommenden Grundsätzen Umge- 
staltungen vorgenommen, unter denen die von Friedrich II. in Preußen und 
von Joseph II. in Oestreich eingeführten am berühmtesten geworden sind. 
§. 114. 
Die Theilung Polens. 1772, 1793, 1795. 
Katharina II., nach Verdrängung ihres Gemahls Peters III. 
von Holstein Kaiserin von Rußland (1762 — 1796), machte durch 
Belebung der Industrie, des Handels und der Volksbildung, durch 
Verbesserung des Kriegs- und Seewesens und eine vom Glück begün- 
stigte Politik ihr Reich zu einem der mächtigsten in Europa. Ihre 
Günstlinge Potemkin und Suworoff siegten über die Türken, welche 
nach der Seeschlacht bei Tschesme (1770) im Frieden zu Kutschuk- 
Kainardsche 1774 einen Theil der Krim und Land am Bug, im 
Frieden zu Jassy 1792 das Land bis zum Dniester abtreten mußten. 
Den größten Machtzuwachs erhielt aber Rußland durch die Vernich- 
tung Polens. 
Polen, bis 1370 unter Königen aus dem Stamm des fabelhaften Pia st, 
war bis zum 17ten Jahrhundert das bedeutendste slavische Reich. Boleslav L 
(dessen Vater Miesko 965 das Volk zur Annahme des Christenthums ge- 
zwungen hatte) vereinigte zuerst (ums Jahr 1000) alle Polen, Masovier, 
Krakovier und Schlesier zu einer Nation; doch trennte sich Schlesien schon 
im 12ten Jahrhundert wieder von Polen und erkannte (1350) die böhmische 
Lehnshoheit an. In Polen bildete sich aus den zu Pferde Dienenden ein 
Adel, der bei den beständigen inneren Kriegen immer größere Ländereien 
erwarb, deren frühere freie Besitzer seiner Gerichtsbarkeit unterworfen wurden, 
und endlich in Leibeigenschaft geriethen. Der Adel war frei von Abgaben 
und hatte die Erlanbniß, feste Schlösser zu bauen; dagegen blieben die Städte 
in der EntWickelung zurück. Kasimir der Große (1333) eroberte Roth- 
Rußland (Galizien), gab geschriebene Gesetze, baute Städte und begünstigte 
die Wissenschaften. Sein Schwestersohn Ludwig, König von Ungarn und 
Polen (1370—1382), gab eine schriftliche Versicherung der Nationalfreiheit. 
I a g i e l 10 n e n 1386-1572. Wladislav Jagiello, Großfürst von Litthauen, 
wurde durch Vermählung mit Ludwigs jüngerer Tochter Hedwig König von 
Polen. Er besiegte 1410 den deutschen Orden bei Tannenberg. Sein älterer 
Sohn Wladislav III., seit 1440 auch König von Ungarn, fiel 1444 bei Varna 
gegen die Türken; der jüngere, Kasimir IV., erlangte 1466 durch den Frieden 
zu Thorn Westpreußen und die Lehnshoheit über Ostpreußen (§. 110). 
Unter den letzten Jagiellonen erreichte Polen den Gipfel seiner Macht, indem 
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