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„Du hast noch zwei Wünsche übrig,“ dachte er und tröstete sich
damit. Wie er nun langsam durch den Sand dahinging und zu Mittag
die Sonne heiß brannte, ward's ihm so warm und verdrießlich zu
Mut; der Sattel drückte ihn auf dem Rücken, auch war ihm noch
immer nicht eingefallen, was er sich wünschen sollte. „Wenn ich mir
auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche,“ sprach er zu sich
selbst, „so fällt mir hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das
weiß ich im voraus; ich will's aber so einrichten, daß mir gar nichts
mehr zu wünschen übrig bleibt.“ Manchmal meinte er, jetzt hätte er
es gefunden; aber hernach schien's ihm doch zu wenig. Da kam ihm so
in die Gedanken, wie es seine Frau jetzt gut hätte; die säße daheim
in einer kühlen Stube und ließe sich's wohl schmecken. Das ärgerte
ihn ordentlich, und ohne daß er's wußte, sprach er so hin: „Ich wollte,
die säße daheim auf dem Sattel und könnte nicht herunter, statt daß
ich ihn da auf meinem Rücken schleppe.“ Und wie das letzte Wort
aus seinem Munde kam, so war der Sattel von seinem Rücken
verschwunden, und er merkte, daß sein zweiter Wunsch auch in
Erfüllung gegangen war.
Da ward ihm erst recht heiß; er fing an zu laufen und wollte
sich daheim ganz einsam in seine Kammer hinsetzen und auf etwas
Großes für den letzten Wunsch sinnen. Wie er aber ankommt und
die Stubentür aufmacht, sitzt da seine Frau mittendrin auf dem Sattel
und kann nicht herunter, jammert und schreit. Da sprach er: „Gib
dich zufrieden, ich will dir alle Reichtümer der Welt herbeiwünschen,
nur bleib da sitzen!“ Sie schalt ihn aber einen Schafskopf und sprach:
„Was helfen mir alle Reichtümer der Welt, wenn ich auf dem Sattel
sitze? Du hast mich daraufgewünscht, du mußt mir auch wieder her—
unterhelfen.“ Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten
Wunsch tun, daß sie vom Sattel ledig wäre und heruntersteigen könnte,
und der Wunsch ward alsbald erfüllt. Also hatte er nichts davon als
Arger, Mühe, Scheltworte und ein verlorenes Pferd; die Armen aber
lebten vergnügt, still und fromm bis an ihr seliges Ende.
Jakob und Wilhelm Grimm.
27. Die Einladung.
Ein frommer Landmann in der Kirche saß,
den Text der Pfarrer aus Johannes las
am Ostermontag, wie der Heiland rief
vom Ufer: „Kindlein, habt ihr nichts zu essen?“