Full text: Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege (Bd. 1)

Protestantismus und Katholizismus im Zeitalter der Gegenreformation 289 
Meinungen folgt, beschwert sein Gewissen nicht, selbst wenn er von der 
Unsittlichkeit seines Handelns überzeugt ist. 
Es ist ferner gestattet, eine verbotene Handlung zu begehen, ohne 
Strafe auf sich zu laden, wenn man nicht die Absicht hat, dadurch zu 
sündigen, sondern vielmehr einen guten Zweck zu erreichen. Wenn auch 
der berüchtigte Grundsatz, daß der Zweck die Mittel heilige, in 
den Anfangszeiten des Jesuitenordens nicht in seiner vollen Nacktheit aus¬ 
gesprochen ist, so hat doch Busenbaum (gest. 1669) ungefähr dasselbe gesagt, 
wenn er erklärt: „Cum finis est licitus, etiam media sunt licita“ 
(Wenn das Ziel erlaubt ist, sind auch die Mittel erlaubt). 
Der dritte laxe Moralsatz ist die s ogenannte reservatio mentalis. 
Danach kann man ein Versprechen, einen Eid um eines guten oder auch nur 
erlaubten Zweckes willen willkürlich auf einen engeren Sinn beschränken, 
uls der Wortlaut es gestattet. Man kann ein Versprechen insgeheim von 
Bedingungen abhängig machen, die der andre nicht kennt; man kann sich 
endlich eines zweideutigen Ausdruckes bedienen, braucht es also mit der 
Wahrheit nicht allzu genau nehmen. So wird durch die Jesuitenmoral, 
die durch Beichtstuhl und pädagogische Tätigkeit verbreitet wurde, die Uu- 
sittlichkeit in Wort und Tat, die Lüge und der Meineid, das Laster und 
der Leichtsinn geschützt; so ist der Jesuitismus nach seiner 
Moral der schlechthinnige Gegensatz zum Protestantismus, 
.„eine die Seelen gefährdende, die Völker verderbende 
Karikatur des Christentums". 
5. Die Wirksamkeit des Ordens. Sämtliche Volkskreise suchte 
der Jesuitenorden mit seinem Geiste zu durchsetzen, für den alten Glauben 
wiederzugewinnen. Weil der Protestantismus seiner Verbindung mit dem 
Humanismus, der Schule und Universität einen großen Teil seiner Erfolge 
verdankte, so suchten die Väter Jesu ihn mit denselben Mitteln zu be¬ 
kämpfen. Da der klassische Unterricht damals lediglich ein formaler war, 
war es möglich, ihn auch im Interesse des Katholizismus zu verwenden, 
ja, den Gegner an Erfolgen bald zu übertreffen. Überall in den gefähr¬ 
deten Ländern, in Bayern und Österreich insonderheit, wurden die Uni¬ 
versitäten mit Jesuiten besetzt, jesuitische Gymnasien eingerichtet. Diese 
waren durchweg Internate, und so konnten die religiösen Anschauungen 
und die sittlichen Grundsätze des antiprotestantischen Ordens mit Leichtig¬ 
keit verbreitet werden. Auf diese Weise gewann sich der Jesuitenorden 
die Gebildeten in ihrer heranwachsenden Generation. 
Die niederen Volksschichten mußten sie auf andere Art zu 
erobern suchen, war ja doch die Volksschule noch nicht geboren. Es galt, 
auf die sinnliche Erregbarkeit der großen Menge zu wirken und sie auf 
diese Weise dem Katholizismus wiederzugewinnen. So bauten sie denn 
Kauffmanu und Berndt, Geschichtsbetrachtungen I. 19
	        
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