fullscreen: Bilder aus dem westlichen Mitteldeutschland (Bd. 6)

130 Land und Leute in Westfalen. 
Gleich wie ein weites gold'nes Meer. Schnurstracks, so wandeln sie den Pfad, 
Es dehnen Wiesen sich daher, Stark, fest in dem, was sie erfaßt, 
Rings eingezäunt zur sichern Weide Doch ruhig immer, nie in Hast, 
Gleich wie ein grün Smaragdgeschmeide; Dann aber zäh und unverdrossen. 
Die Eichenwälder heben prächtig Der Mensch ist dort so abgeschlossen 
Die breiten Kronen; stolz und mächtig Fast wie sein Haus, das seine Gipfel 
Durchbrauset sie des Sturms Choral. Einsam ausstrecket in die Wipfel 
Selbst in den Heiden, öd' und kahl, Des Hains und aus deu Fenstern weit 
Da pocht ein Herz: verschwiegen stumm Hinsieht auf Wies' und Feldgebreit. 
Geh'n d'rin geschiedne Geister um. Eintönig ist's. Doch traumverloren 
Und wie das Land, so sind die Leute. Denkt an das Land, wer dort geboren; 
Wie's gestern war, so ist es heute Ihm zuckt voll Rührung die Gebärde 
In ihren Herzen; offen, grad', Nach Land und Volk der „roten Erde".*) 
Mit diesen Versen schildert der rheinische Sänger Wolfgang Müller von 
Königswinter in seinem reizenden idyllischen Epos: „Die Maikönigin" Land 
und Leute in Westfalen charakteristisch und poetisch zugleich. *• 
Werfen wir zunächst noch einmal einen flüchtigen Blick auf das von uns 
in den letzten Kapiteln des vorigen Bandes, sowie im ersten Abschnitt dieses 
geschilderte Land Westfalen, so finden wir ganz verschiedenartige Typen aus- 
geprägt. So ist schon im Münsterlande der Ubergang von den nordwestlichen ein- 
förmigen Heidegegenden znm Herzen desselben überraschend. Da, „wo der Hirt 
in halb somnambuler Beschaulichkeit seine Socken strickt und sich so wenig um 
uns kümmert, als sein gleichfalls somnambuler Hund und seine Heidschnncken", 
wo nur Schwärme von Krähen sich im Sande baden und das mövenartige Ge- 
schrill der jungen Kibitze aus Stachelsträuchern ertönt, wo nur hier vor zerstreut 
liegenden Hütten sich Kinder im Sande wälzten oder Käfer singen, tauchen 
allmählich Baumgruppen und Wiesenflächen auf, tönt uns das Geschmetter 
zahlloser Singvögel entgegen, gaukeln auf Heideblumen Schwärme blauer und 
milchweißer Schmetterlinge. „Fast jeder dieser Weidegründe" — so schildert uns 
die westfälische Nachtigall Annette v. Droste-Hülshoff diese Gegend — „enthält 
einen Wasserspiegel, von Schwertlilien umkränzt, an denen Tauseude kleiner 
Libellen wie bunte Stäbchen hängen, während die der größeren Art bis auf die 
Mitte des Weihers schnurren, wo sie in die Blätter der gelben Nymphäen wie 
goldene Schmucknadeln in emaillierte Schalen niederfallen und dort aus die 
Wasserinsekten lauern, von denen sie sich nähren. Das Ganze umgrenzen kleine, 
aber zahlreiche Waldungen. Alles Laubholz, uud namentlich ein Eichenbestand 
von tadelloser Schönheit, der die holländische Marine mit Masten versieht — 
in jedem Baume ein Nest, auf jedem Aste ein lustiger Vogel und überall eine 
Frische des Grüns und ein Blätterduft, wie dieses anderwärts nur nach einem 
Frühlingsregen der Fall ist. Unter den Zweigen lauscheu die Wohnungen her- 
vor, die lang gestreckt, mit tief niederragendem Dache, im Schatten Mittagsruhe 
zu halten und mit halbgeschlossenem Auge nach den Rindern zu schauen scheinen, 
welche hellfarbig und gescheckt, wie eine Damwildherde, sich gegen das Grün des 
Waldbodens oder den blassen Horizont abzeichnen, und in wechselnden Gruppen 
*) Über die Bedeutung der Benennung „rote Erde", vermutlich mißverstan- 
denermaßen für das plattdeutsche „nie Erde", d. h. rauhe oder bloße Erde mit Bezug 
auf die auf freiem Felde abgehaltenen Femgerichte haben wir uns schon im vorigen 
Bande bei Dortmund ausgesprochen. Nach andern bedeutet „rote Erde" soviel wie 
„rotsteinichte" von den vielen Thonsteinen, die der Boden enthält.
	        
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