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Prau Störchin sass drauf drei Wochen lang,
da hörte man bald gar mancherlei Rlang;
fünf Störchlein reckten die Köpfehen herauf
und sperrten die hungrigen Schnäbel auf.
Hoey
112. Mütterliche Liebe eines Slorches.
1. Auf dem Strohdache eines alten, ehrwürdigen Bauernhofes, der
von ebenso alten Leuten bewohnt wurde, erblickte man stets in den ersten
Tagen des Frühjahrs ein Storchenpaar. Sie saßen da und klapperten,
gleichsam als bewillkommneten sie den alten, lieben Ort, wo sie manches
Störchlein aufgezogen hatten, und die Kinder des Dorfes sangen alsdann:
„Hurra, Hurra, Hurra!
Der Storch ist wieder da,
er bessert aus sein Nestlein
und legt vier große Eier drein,
und eh' wir's uns versehen,
im Nest vier Störchlein stehen
und rufen: Klapp, klapp, klapp!
Mama, gieb einen Frosch uns ab!“
2. An einem schwülen Sommertage, als das ganze Dorf auf dem
Felde war, um Getreide zu mähen, und nur die wachsamen Hunde um
die ihnen anvertrauten Wohnungen schlichen, da schallte auf einmal vom
hohen Kirchturme herab der dumpfe Ton der Sturmglocke, und das
Feuerhorn verkündete durch seine dumpfen Stöße den beschäftigten Land-—
leuten die Gefahr. „Feuer! Feuer!“ ertönte es bald allerorten, und in
allen Gassen sah man die Dorfbewohner rennen. Ach, dasselbe Haus,
um dessen Giebel schon so mancher Sturm getobt hatte, das man nach
altem Aberglauben für bewahrt und beglückt hielt wegen der darauf
nistenden Störche, das stand jetzt in hellen Flammen. Schon stürzen
die Balken ein, und kaum rettet man das Eigentum der Bewohner. Auf
einmal sieht man eine Störchin von der Wiese herüberfliegen. Es ist die
Mutter der Kleinen, die auch schon in ihrem Neste von Feuersglut und
Rauchwolken umgeben sind. Mehrere Male kreist sie ängstlich um die
Qualm⸗- und Glutmassen. Endlich durchdringt sie dieselben, und bald
darauf erscheint sie, ein Junges im Schnabel, und legt dasselbe am Fuße
eines Baumes unweit der rettenden Landleute nieder.
3. Dann erhebt sie sich wieder, dringt von neuem in die immer
stärker werdende Glut und kommt abermals, ihr zweites Kindlein im
Schnabel, mit versengtem Gefieder zurück. Rasch legt sie dasselbe zu dem
zuerst geretteten, und unaufhaltsam bahnt sie sich zum dritten Male den