Full text: Für mittlere Klassen (Theil 2)

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liegen. Alles erscheint idyllisch; nur im Hintergründe ragen die ewigen 
Spitzen der Pvramiden, koch alles Uebrige beherrschend, geheimnisvoll 
aus den Wipfeln. Rechts der Straße ziehen sich die glatten, vom Winde 
zusammengewehten und häufig ihre Form ändernden Sand berge der 
andern Seite der Wüste hin; aber mit dein breiten Rande der Oliven- 
und Obstpflanzungen, der vor ihnen liegt, und in dem viele einzelne 
freundliche Wohnungen vertheilt sind, zeigt die Wüste auch von dieser 
Seite nur ihren romantischen, nicht ihren öden Charakter. Dazu ist die 
Landschaft den ganzen Tag über lebendig, und wie in der Stadt, wird 
man auch hier stets von emer bunten Menge von Menschen und Thieren 
umgaukelt, die jede Eigenthümlichkeit des Landes darbieten. 
So erreicht man unbemerkt Schubra und tritt, nachdem man neben 
einer schönen, aus weißem Stein aufgeführten Fontaine vom Pferde 
gestiegen, in einen Pavillon von Gittcrwerk, das blaublühende Winden 
wie mit einer dichten Tapete umziehen. Durch einen gleich berankten, 
langen und schattigen Gang kommt man hierauf an einen bemalten 
Kiosk, vor dem sich ein regelmäßiges Blumenfeld in gefälligen Formen 
ausdehnt. Statt Buchsbaum umfassen kurz geschnittene Myrten und 
andere wohlriechende Pflanzen seine verschiedenartig gezeichneten Tulpen- 
Garniere und Rosenbeete. und sinnig vertheilte junge Citronenbäume 
sind so gezogen, daß sie die unmuthigsten Arkaden mit herabhängenden 
Gewinden bilden, bald neben, bald über den Weg sich mit ihren Blü¬ 
then und Früchten wölbend, während der Boden der Gänge, mit 
farbigen Meerkieseln sorgsam ausgelegt, eine Mosaik geschmackvoller 
Arabesken darstellt. Mehrere andere Abtheilungen, stets in Cha¬ 
rakter und Ausschmückung abwechselnd, mit Wasserkünsten, Ruhe- 
sitzen, Blumenpyramiden, Rundesten, Vasen und Pavillons reich geziert, 
folgen diesem ersten Garten, nur zuweilen getrennt durch dunkle 
Cypressenmaffen und Haine von höheren Waldbäumen. In einem 
Orangengarten voll rother Früchte und weißer Blüthen war der ganze 
Grund jetzt wie ein Teppich mit Narzissen und Tazetten bedeckt, deren 
Wohlgeruch fast betäubend wirkte. Später kommt man zu einem See 
mit prachtvollen Marmorbädern, zu denen Krokodile das Wasser aus- 
syeien. Jenseits desselben schließt sich eine dunkle, mit einem äußerst 
zierlichen Bambuszaune eingefaßte Wildniß an, in der viele der seltensten 
Thiere Raum genug haben, frei umherlaufen zu können. Auch die 
schöne Antilope, welche so häufig auf deu ägyptischen Monumenten vor¬ 
kommt, von den Arabern Abu Harb „Vater des Weißen"* genannt, 
erging sich in diesen Gebüschen. Als eine große Seltsamkeit aus Eng¬ 
land ward uns nachher in besonderem Gewahrsam ein gemeiner nor¬ 
discher Bär gezeigt, hier so interessant, als bei uns die Giraffe.— Es 
war spät als ich aus den reizenden Jrrgängen dieser Blumen- und 
Baumlabyrinthe zurückkehrte, und nun zeigte sich mir der ägyptische Him¬ 
mel in seiner ganzen unbeschreiblichen Pracht, als ich durch die hohe 
Allee schweigend und schwelgend dahinzog. Bei uns spielen Abends nur 
die Wolken und Nebelballen in mannigfachen und brennenden Farben; 
hier gab es keine Wolken, aber der ganze Himmel und auch die 
1) Bezieht sich diese Metapher, welche der Antilope ein besonderes schönes Weiß 
beizulegen scheint, auf den zum Theil weißschimmernden Leib des Thieres 
oder vielleicht auf den eigenthümlichen Glanz seiner oft gepriesenen Augen?
	        
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