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liegen. Alles erscheint idyllisch; nur im Hintergründe ragen die ewigen
Spitzen der Pvramiden, koch alles Uebrige beherrschend, geheimnisvoll
aus den Wipfeln. Rechts der Straße ziehen sich die glatten, vom Winde
zusammengewehten und häufig ihre Form ändernden Sand berge der
andern Seite der Wüste hin; aber mit dein breiten Rande der Oliven-
und Obstpflanzungen, der vor ihnen liegt, und in dem viele einzelne
freundliche Wohnungen vertheilt sind, zeigt die Wüste auch von dieser
Seite nur ihren romantischen, nicht ihren öden Charakter. Dazu ist die
Landschaft den ganzen Tag über lebendig, und wie in der Stadt, wird
man auch hier stets von emer bunten Menge von Menschen und Thieren
umgaukelt, die jede Eigenthümlichkeit des Landes darbieten.
So erreicht man unbemerkt Schubra und tritt, nachdem man neben
einer schönen, aus weißem Stein aufgeführten Fontaine vom Pferde
gestiegen, in einen Pavillon von Gittcrwerk, das blaublühende Winden
wie mit einer dichten Tapete umziehen. Durch einen gleich berankten,
langen und schattigen Gang kommt man hierauf an einen bemalten
Kiosk, vor dem sich ein regelmäßiges Blumenfeld in gefälligen Formen
ausdehnt. Statt Buchsbaum umfassen kurz geschnittene Myrten und
andere wohlriechende Pflanzen seine verschiedenartig gezeichneten Tulpen-
Garniere und Rosenbeete. und sinnig vertheilte junge Citronenbäume
sind so gezogen, daß sie die unmuthigsten Arkaden mit herabhängenden
Gewinden bilden, bald neben, bald über den Weg sich mit ihren Blü¬
then und Früchten wölbend, während der Boden der Gänge, mit
farbigen Meerkieseln sorgsam ausgelegt, eine Mosaik geschmackvoller
Arabesken darstellt. Mehrere andere Abtheilungen, stets in Cha¬
rakter und Ausschmückung abwechselnd, mit Wasserkünsten, Ruhe-
sitzen, Blumenpyramiden, Rundesten, Vasen und Pavillons reich geziert,
folgen diesem ersten Garten, nur zuweilen getrennt durch dunkle
Cypressenmaffen und Haine von höheren Waldbäumen. In einem
Orangengarten voll rother Früchte und weißer Blüthen war der ganze
Grund jetzt wie ein Teppich mit Narzissen und Tazetten bedeckt, deren
Wohlgeruch fast betäubend wirkte. Später kommt man zu einem See
mit prachtvollen Marmorbädern, zu denen Krokodile das Wasser aus-
syeien. Jenseits desselben schließt sich eine dunkle, mit einem äußerst
zierlichen Bambuszaune eingefaßte Wildniß an, in der viele der seltensten
Thiere Raum genug haben, frei umherlaufen zu können. Auch die
schöne Antilope, welche so häufig auf deu ägyptischen Monumenten vor¬
kommt, von den Arabern Abu Harb „Vater des Weißen"* genannt,
erging sich in diesen Gebüschen. Als eine große Seltsamkeit aus Eng¬
land ward uns nachher in besonderem Gewahrsam ein gemeiner nor¬
discher Bär gezeigt, hier so interessant, als bei uns die Giraffe.— Es
war spät als ich aus den reizenden Jrrgängen dieser Blumen- und
Baumlabyrinthe zurückkehrte, und nun zeigte sich mir der ägyptische Him¬
mel in seiner ganzen unbeschreiblichen Pracht, als ich durch die hohe
Allee schweigend und schwelgend dahinzog. Bei uns spielen Abends nur
die Wolken und Nebelballen in mannigfachen und brennenden Farben;
hier gab es keine Wolken, aber der ganze Himmel und auch die
1) Bezieht sich diese Metapher, welche der Antilope ein besonderes schönes Weiß
beizulegen scheint, auf den zum Theil weißschimmernden Leib des Thieres
oder vielleicht auf den eigenthümlichen Glanz seiner oft gepriesenen Augen?