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Eine erneute innere Festigkeit belebte die ermüdeten Krieger. Dann tönte
ein lauter, hoher Jubel aus Aller Munde; und als man nun das Feuern
in Lissa hörte, so wollte es einer dem andern an Geschwindigkeit, zuvor¬
thun, seinem Könige beizustehen. Alles, was von Feinden in Lista war,
wurde gefangen genommen.
Die Oesterreicher hatten an dem einen Tage 27,000 Mann, 116
Geschütze, 51 Fahnen und 4000 Wagen verloren, während sich der Ver¬
lust der Preußen nur auf 6000 Mann belief. Diese einzige Schlacht
setzte den König wieder in den vollen Besitz des verlorenen Schlesiens;
das Volk aber sang:
Es lebe durch des Höchsten Gnade
Der König, der uns schützen kann;
So schlägt er mit der Wachtparade
Noch einmal achtzigtausend Mann, F. Kugler-
126. Der Ueberfall von Hochkirch.
(Am 14. October 1758.)
Als Daun von Stolpen nach Kittlitz aufgebrochen war, verließ
auch der König seine Stellung, ging mit seiner ganzen Armee nach
Bautzen und nahm drei Tage später, den 10. Oetober, die so bewun¬
dernswürdig kühne Stellung zwischen Hochkirch und Rodewitz, daß der
Quartiermeisterlieutenant v. Marwitz das Lager auszustecken sich weigerte.
Beide Heere sind nur einen Kanonenschuß von einander entfernt, getrennt
durch Schluchten und Engweae. Friedrich ist der falschen Meinung, der
Gegner werde sich nach Böhmen wenden; Daun zauderte wie bisher
und mied die Entscheidung im Freien, indeß die Preußen von der rauhen
Witterung wie von dem fruchtlosen Harren litten. „Bis der Schnee
fällt," schrieb Friedrich den 4. Oetober an Lord Marishal, „werde ich
auf dem Seile tanzen müssen. Sie kennen gar nicht alle die Mühe
und Sorge, welche ich zu übernehmen genöthigt bin, um eine so ver¬
wickelte Maschine zu führen, bei welcher der geringste Zufall Alles ver¬
derben kann. Wie gern gäbe ich die Hälfte des Ruhmes, von dem Sie
mir schreiben, für ein wenig Ruhe!" So der König, eben als er sich
dem gewaltigsten Sturme näherte.'
Keith, der mit einem Truppentheile in Bautzen zurückgeblieben
war, den aus Dresden erwarteten Mehltransport zu decken, folgte dem
Könige den 11. nach und war erstaunt über die kecke Stellung unter
den Kanonen des Feindes ringsum. „Wenn die Oesterreicher uns hier
ruhig lassen," sagt er, „so verdienen sie gehenkt zu werden." Darauf
der König witzig genug: „Wir müssen hoffen, daß sie sich mehr vor
uns, als vor dem Galgen fürchten!" Die Kaiserlichen aber, als Friedrich
am hellen Tage auf einen Kanonenschuß von ihrer Front das rings
beherrschte Lager schlug: „Wir verdienen, vom Feldmarschall an, alle
kassirt zu werden, wenn wir den Preußen diese Bravade ungestraft hin¬
gehen lassen." Daun aber wollte sich weder henken noch kassiren lassen.
Angriff (bei nächtlicher Weile) hieß die seltene Losung seines Lagers,
und dazu gesellt er List.
Schon am 11. läßt er die Friedrichs rechtem Flügel gegenüber
gelegene Waldung verhauen, auch hie und da längs der Front Redouten
und kleine Schanzen auswerfen, um die Sicherheit des Königs zu ver-