Object: Geschichtliches Lesebuch

50 IV. ö. Sybel, Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. 
der preußischen Staatsmänner, Herrn von Motz, der nach langer 
Mühe das Defizit aus dem Staatshaushalt beseitigt hatte, war es 
endlich auch gelungen, die durch das Zollgesetz von 1818 ausgestreute 
Saat zu frischem Wachstum zu bringen; 1828 schloß Hessen-Darm¬ 
stadt den Zollverein mit Preußen; 1829 folgte ein Handelsvertrag 
mit Bayern und Württemberg, ausgesprochener Maßen zu dem Zwecke, 
um als Vorbereitung zu einem vollständigen Zollverein zu dienen. 
Wenn dies gelang, so war kein Zweifel, daß Baden, Kurhessen, 
Thüringen, Sachsen sehr bald folgen müßten und folgen würden — 
wie es denn im Verlaufe weniger Jahre wirklich geschah — dann 
war mit Ausnahme der kleinen Küstenstaaten das ganze außer¬ 
österreichische Deutschland zu einem großen, im Innern freien, nach 
außen geschlossenen Verkehrsgebiet unter preußischer Leitung, unab¬ 
hängig vom Bundestage, geeinigt. Nun kamen 1830 jene süddeutschen 
Aufforderungen nach Berlin zu preußischem Schutz für den bedrohten 
Oberrhein, zu einem gemeinschaftlichen Militärsystem, ebenfalls unab¬ 
hängig vom Bundestage und dessen ohnmächtiger Kriegsverfassung, 
und erst recht unabhängig von Österreich und dessen unzuverlässigem 
Rückhalt. Es ist wahr, die Süddeutschen redeten zunächst nur von 
Vorkehrungen gegen die augenblickliche Kriegsgefahr. Aber wäre denn 
eine inhaltlose Chimäre der Gedanke gewesen, den Augenblick zu be¬ 
nutzen und den Schutz gegen die heutige Gefahr nur unter der Be¬ 
willigung bleibender Einrichtung des gemeinsamen Kriegswesens zu 
bewilligen? Der Zollverein gab dazu das Muster; ja seine Kon¬ 
sequenzen führten geradeswegs auf ein solches Ziel hin. Dann hätte 
sich innerhalb des weitern Bundes mit Österreich und seinen Anhängern 
ein engerer preußischer Bund gebildet, gegründet auf lebendige nationale 
Interessen, befähigt zu deren fortschreitender und fruchtbarer Fort¬ 
entwicklung, die erste Stufe zu einem wahrhaft nationalen deutschen 
Reiche. 
Diese Gedanken legte Graf Bernstorff m zwei Denkschriften dem 
Könige vor, indem er zugleich einer Anregung Metternichs auf neue 
Zwangsmaßregeln gegen die Revolution mit einem Vortrage des 
preußischen Bundestagsgesandten antworten ließ, das beste Mittel 
gegen den Geist der Empörung fei die Abstellung der Mißbrauche, 
deren sich so viele deutsche Regierungen schuldig gemacht hätten. Es 
war ein Ton, wie er bisher so rein in dem Saale des Bundespalastes 
noch nicht erklungen war. 
Es leuchtet ein, daß bei der Betretung dieses Weges eine starke
	        
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