Object: Weltgeschichte (Cursus 1)

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Tell. 
gezimmerten und mit Bibelsprüchen versehenen Hause eines reichen 
Landmannes, Namens Werner Stauffacher, in Schwyz vor¬ 
bei. Dieser stand gerade vor seiner Thür und grüßte den Vogt 
ehrerbietig. Allein dieser blickte ihn mürrisch an und sprach: 
„Kann man auch leiden, daß das Bauernvolk so schön wohnt?" 
Diese Worte machten den Stausfacher betroffen, und eiligst fuhr 
er über den See zu seinem Freunde, dem alten Walther Fürst 
in Attinghausen, um ihm das Vorgefallene mitzutheilen. Hier 
aber fand er einen jungen Mann, Arnold von Melchthal, 
der ihm mit zerrissenen Herzen Folgendes erzählte: — „Nur ein 
geringes Versehen beging mein Vater. Da befahl der Vogt 
Landenberg, ihm zur Strafe dafür zwei Ochsen, vom Pfluge zu 
spannen. Indem der Knecht herzutrat, das zu thun, äußerte er: 
Wenn die Bauern Brot essen wollen, so mögen sie ihren Pflug 
selbst ziehen. Dies empörte mich, und ich hieb mit meinem 
Stöcken zu und zerschlug dem unverschämten Menschen zwei Finger, 
worauf ich entfloh. Ach, nun denkt euch aber das Schreckliche! 
Um seine Wuth gegen mich zu kühlen, hat der Tyrann jetzt mei¬ 
nem Vater beide Augen ausstechen lassen. O, ich möchte vor 
Schmerz vergehen!" — Thränen des tiefsten Wehegefühls drangen 
hierbei den Anwesenden in die Augen, und sie wurden darin 
eins, alles Mögliche zur Vertreibung der bösen Vögte zu thun. 
Sehr bald gelang es ihnen, noch viele Bewohner der Cantone 
für diesen Entschluß zu gewinnen, und so vereinigten sie sich zu 
einem Bunde, den sie in einer hellen Mondnacht im Herbste des 
Jahres 1307 auf dem Rütli, einer am Vierwaldstädter See 
gelegenen Wiese, beschwuren. Am ersten Januar des folgenden 
Jahres sollte die That ausgeführt werden. Inzwischen ereignete 
sich jedoch folgender Vorfall. 
Um den Gehorsam der Schweizer zu prüfen, hatte Geßler 
auf dem Markte zu Altorf eine Stange mit einem Hute auf¬ 
richten lassen und den Befehl gegeben, daß jeder Vorübergehende 
dem Hute dieselbe Ehrerbietung beweisen solle, wie ihm selbst. 
Da kommt Tell, der Schwiegersohn des Walther Fürst, mit 
seiner Armbrust auf dem Nacken und seinem kleinen Sohn an 
der Hand hier vorbei, verschmäht es aber, sich vor dem Hute zu 
beugen. Sofort wird er von den Aufpassern ergriffen, um in 
ein Gefängniß geworfen zu werden. Ueber dem Lärm, der hier¬ 
durch entsteht, kommt auch der Vogt herbei und f-ragt unwillig 
nach der Ursache desselben. Als er sie vernommen, wirft er zor¬ 
nige Blicke auf Tell und spricht zu ihm: „So ehrst du also den
	        
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