Osmani sches Reich. 
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viele aus den höhern Klassen nach den benachbarten Städten bege¬ 
ben und die Armen hätten sich in dem offenen Lande zerstreuet. Aber 
gerade damals hatten die Araber, die ohnehin nur selten im Zaume zu 
halten sind, sich in der Nahe der Stadt festgesetzt, in der Absicht, 
alle diejenigen auszuplündern, welche der Pest durch die Flucht zu 
entgehen versuchen möchten. Diese Rücksicht hielt viele von dem Ver¬ 
suche einer Flucht ab, und manche, die kühn lgenug waren, es zu 
versuchen, kehrten bald zurück, aller ihrer Habe und selbst der Kleider 
beraubt. Wenige von denjenigen, welchen es gelang, sich ungeplün- 
dert etwas weiter von Bagdad zu entfernen, hatten sonderliche Ursache 
sich dazu Glück zu wünschen. Die Flüsse Euphrat und Tigris treten 
zweimal im Jahre aus; zum erstenmale im Frühling, wenn der Schnee 
auf den Bergen Armeniens schmilzt, und dann im Herbst bei den pe¬ 
riodischen Regen. Eben hatte die Pest den furchtbarsten Grad erreicht, 
als die Flüsse auf eine seit Menschengedenken nicht erhörte Weise aus¬ 
traten und das Land in den unteren Theilen ihres Laufes vollständig 
unter Wasser setzten. Eine Zeitlang hielten die Mauern der Stadt 
das Wasser auf, in der Nacht vom 26. April aber wurde ein Theil 
der Mauer auf der Nordwestseite der Stadt untergraben und stürzte 
zusammen. Nun brach das Wasser herein, zerstörte 7000 Hauser und 
begrub in ihren Ruinen 15,000 Menschen, von denen viele krank an 
der Pest Niederlagen. Die, welche dem Wasser entrannen, zogen sich 
in diejenigen Theile der Stadt, welche unversehrt oder minder verwü¬ 
stet waren, und wurden in die Hauser ihrer Freunde ausgenommen, 
oder drängten sich, oft 30 an der Zahl, in die Hauser, welche von den 
Eigenthümern verlassen oder durch die Pest verödet worden waren. 
Da von Tag zu Tage noch einzelne Hauser durch die Wasserfluthen 
zerstört wurden, so ward die Bevölkerung fortwährend auf einen engern 
Raum zusammen gedrängt, und auf diese Weise wurde' der Vortheil 
zu nichte gemacht, den die Stadt unter gewöhnlichen Umstanden aus 
der verminderten Zahl der Bevölkerung gezogen haben würde. Die 
Überschwemmung kann demnach als eine der nachsten'Ursachen betrach¬ 
tet werden, weshalb die Pest eine so beispiellose Verheerung anrichtete. 
Mit der wachsenden Sterblichkeit sank die Kraft und die Neigung, die 
Todten zu beerdigen. Waren auch die Mittel, sie fortzuschaffen, noch 
vorhanden gewesen, so würde man doch eher die Hauser verlassen haben, 
ohne die darin aufgehäuften Todten zu begraben; da dies aber un¬ 
möglich war, so wurden die Leichen auf den Straßen ausgesetzt, wo 
sie gierig verschlungen wurden von den gefräßigen Hunden, welche in 
den Städten des Orients in Menge vorhanden sind. Derjenige zeigte 
noch große Besorgniß um seine Todten, der sie aus seinem Hause fort¬ 
schaffte und in den Fluß warf. Man hat oft behauptet, die Pest 
raffe gewöhnlich die Jüngsten und die Ältesten, die Schwachen und 
Kränklichen hin; dies war aber in Bagdad nicht der Fall, und es ge¬ 
hörte zu den ergreifendsten Szenen, die Menge von kleinen Kindern
	        
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